30jähriger Krieg 1618 - 1648, zweite Hälfte

Freitag, 28. Oktober 2016

Vorbemerkung

Wir sehen uns in der glücklichen Lage, bei dieser Schlacht auf einen sehr großen Fundus an Artikeln und Quellen zu stoßen. Besondere Bonbons: die Beschreibung der Umwanderung des wallenstein’schen Lagers mit historischer Einordnung der markanten Punkte, und dem sollte man sich  (https://www.vgn.de/ib/site/documents/media/53bb65a6-991d-74ea-75ea-e89f2e1e53a8.pdf/_fue_tour5_inter.pdf)

unbedingt einmal anschließen, wenn man mal gerade in der Gegend ist;

 

 

 -      der Aufsatz von Reallehrer Dr. Stephan Donaubauer aus dem Jahre 1899 über Gustav Adolph und Friedrich Wallenstein in Nürnberg mit vielen interessanten Details über die Menge an Geldern und Verpflegung, welche

 

https://de.wikisource.org/wiki/Gustav_Adolf_und_Wallenstein_vor_N%C3%BCrnberg_im_Sommer_des_Jahres_1632

 

die Stadt den schwedischen Besatzern liefern mußte, über die Stadtwache und vieles mehr;

 

-      oder der Augenzeugenbericht eines schottischen Obristen auf der vorzüglichen Seite:

 

http://www.30jaehrigerkrieg.de/

Quelle 22: MONRO, Kämpfe an der Alten Veste bei Nürnberg (1632)

 

(http://www.30jaehrigerkrieg.de/quelle-22-monro-kampfe-an-der-alten-veste-bei-nurnberg-1632/)

 

Bild links: Schwedische Artillerie

Einleitung

Die Schlacht an der Alten Veste, die wir im folgenden beleuchten, ist auch unter den Namen Schlacht bei Fürth, Schlacht bei Zirndorf und Schlacht bei Nürnberg bekannt. Nach der schweren Niederlage, die der greise katholische Feldherr Tilly mit seinem waffentechnisch unterlegenen Heer 1631 bei Breitenfeld erlitten hat, ziehen sich die Kaiserlichen und Bayern nach Süddeutschland zurück. Gustav Adolph, der schwedische König und Heerführer, frohlockt, könnte er dem Gegner jetzt doch bis hinein nach Bayern folgen und mit ein wenig Glück sogar bis zur kaiserlichen Hauptstadt Wien vorrücken.

 

Doch Kaiser Ferdinand II. holt Wallenstein aus der politischen Verbannung zurück und ernennt ihn zum Generalissimus, also zum Oberbefehlshaber aller kaiserlichen und verbündeten Truppen. Währenddessen dringen die Schweden in Bayern ein und beziehen in Nürnberg Stellung, das zu Gustav Adolph übergelaufen ist. Bei Rain am Lech stellt sich Tilly noch einmal dem Feind, er wird wieder geschlagen (wie auch anders, er ist immer noch schlechter bewaffnet und außerdem in der Unterzahl) und dabei tödlich verwundet. Die Reste seiner Armee ziehen sich nach Ingolstadt zurück.

 

Wallenstein nimmt nun den geraden Weg vom heimischen Prag nach Fürth (unweit von Nürnberg), um den Schwedenkönig zur Umkehr zu bewegen. Damit schützt er den Kaiser eher, als wenn er zu dessen Residenzen Wien, beziehungsweise Linz abgebogen wäre. Gustav Adoplh geht Wallenstein in die Falle und kehrt nach Nürnberg zurück. Zwar will er unterwegs die Vereinigung von Wallensteins (neu aufgestelltem) Heer mit den Resten der bayerischen Armee Tillys verhindern, kommt aber zu spät, Wallenstein schlägt ihm auch hier ein Schnippchen.

 

Die Schweden beziehen südwestlich Nürnbergs ihr Lager, und nun führt Wallenstein sein strategisches Meisterstück vor: Mitsamt den Bayern in der Überzahl (31 000 Fußsoldaten und 11 000 Reiter) könnte er nun leicht die Schweden die Schlacht anbieten, aber er umschließt ihr Lager mit einem Blockadering und sperrt sie ein; insgesamt 60 Wochen lang, von Ende Juli  bis Anfang September. Die Schweden bieten zwar mehrfach eine Schlacht an (das heißt, sie marschieren auf freie Feld und bauen sich vor dem kaiserlich/bayerischen Lager auf), aber Wallenstein reagiert nicht darauf. So werden den Schweden allmählich die Vorräte knapp, Krankheiten und Seuchen brechen in ihrem Lager aus. Dem König bleibt nichts anderes übrig, als Däumchen zu drehen. Endlich, am 27. August treffen die schwedischen Verbündeten (meist deutsche Fürsten, die es seit neuestem mit den Schweden halten, heute würde man sie vielleicht „Wendehälse“ nennen) mit einer Armee von 24 000 Mann ein. Damit sind beide Seiten gleich stark. Aber Wallenstein hat es noch immer nicht eilig. Einige Autoren vermuten, daß er die Schweden aushungern will, aber dazu hätte er sie zusätzlich durch artilleristisches Dauerfeuer zermürben müssen. Wir vermuten einfach einmal keck, daß der besonnene Verstandesmensch herausfinden will, wie lange er mit dem eher hitzköpfigen Schwedenkönig spielen kann, ehe der die Nerven verliert. Und auch diese Rechnung soll aufgehen.

 

Bild links: „Kroaten“ (Kroaten, Ungarn, Polen und ähnliche)

 

Schlacht

 

Bereits am 31. August marschiert Gustav Adolph in voller Stärker vor dem Lager Wallensteins auf, was diesen aber nicht weiter stört. Am 1. September läßt Gustav Adolph das gegnerische Lager aus drei neuen schweren Batterien beschießen (wir dürfen das wörtlich nehmen, es sind schwere Geschütze, weiß der Realschullehrer, und zwar 3x6 Stücke) und um 17 Uhr Infanterie angreifen, der König bricht aber am späteren Abend wegen völliger Erfolglosigkeit ab. Er läßt weitere Schanzen im Westen errichten, und hier begeht Wallenstein seinen einzigen strategischen Fehler: Er vermutet hinter diesen Maßnahmen einen Flankenangriff gegen sein Lager und läßt seine Armee in der Nacht vom 2. auf den 3. September im Nordwesten Aufstellung nehmen. Er wird den ganzen folgenden Tag während der eigentlichen Schlacht damit beschäftigt sein, die dortigen Truppen an die eigentliche Front zurückzuführen.

 

Am Morgen des 3. September, gegen 9 Uhr, beginnen die Schweden in Aufstellung zu drei Flügeln (linker, Zentrum und rechter) den Angriff auf den gegnerischen Wall. Sie greifen aber nicht überall gleichzeitig an, sondern nacheinander, der rechte am Vormittag, das Zentrum am Mittag und der linke am späten Nachmittag.

 

Am rechten Flügel kämpfen sich die Schweden den Rosenberg hinauf und errichten 250 Meter vor dem Lagerwall Geschützstellungen. Indessen gelingt es nicht, die dazu vorgesehenen Kanonen die steilen Hänge hinaufzuziehen. Als Wallenstein am Nachmittag 3000 seiner Musketiere dorthin beordern kann, bleibt der Ansturm schon ziemlich rasch stecken, und ohne Geschütze kommen die Schweden nicht mehr recht voran und erreichen nicht einmal den Wall.

 

Vor dem Zentrum liegt die „Alte Veste“, eine Burgruine, die sich aber immer noch hervorragend als Bastion eignet; sie hat Wallenstein auch ausreichend nachbefestigt und mit Artillerie bestückt. Kurzum, die Burgruine ist zur Rundumverteidigung eingerichtet. 8000 Mann sind hier in Stellung gegangen, die alle zwei Stunden von frischen Truppen ergänzt werden. Ausgerechnet hier führt Gustav Adolph seinen Schwerpunkt-Angriff durch, und in der Folge verliert er hier auch am stärksten und am Ende die Schlacht. Seine Überlegung, den stärksten Punkt einer gegnerischen Stellung anzugreifen, einzunehmen und damit den Feind zur Aufgabe zu zwingen, wäre vielleicht und gegen einen anderen General aufgegangen, hier gegen Wallenstein aber nicht; was beweist, daß der kluge Wallenstein seinen Widersacher besser studiert hat als umgekehrt.

 

Wallenstein hat vorab alle störenden Bäume abholzen lassen, um freies Schußfeld zu erhalten, was ihm jetzt sehr zugute kommt. Geländebedingt müssen die Schweden aus der Brunnenschlucht kommen, einen Steinbruch überwinden und dann noch Steilhänge bezwingen, wozu kaum eine der angreifenden Einheiten in der Lage ist. Als erstes greift das weiße Regiment von Oberst Burt mit 500 deutschen Mann an, wird aber rasch zusammengeschossen und flieht in völliger Auflösung. Als nächstes ist Erich-Hand mit seinen Schweden und Finnen an der Reihe. Ihm ergeht es kaum besser, und so kommen alle hier versammelten Regimenter an die Reihe, manche bis zu sechs- oder siebenmal. An der Ostseite der Alten Veste versucht das schwedische blaue Regiment sein Glück, bis ihnen die katholischen Kürassiere und Kroaten in die Flanke fassen. Sie reiben das blaue Regiment fast völlig auf bringen den gesamten Angriff sogar zeitweilig zum Stehen.

 

Bild links: Schwedische Kürassiere

 

Das schottische (mit Schotten, Iren und anderen Söldnern bestückt) Regiment Munro greift wieder und wieder an und bleibt doch stets im Kugelhagel liegen. Aus den Aufzeichnungen des Robert Munro erfahren wir (in Auszügen) über die Kämpfe an der Alten Veste: „Kaum waren die Sturmgruppen vorgegangen, mußten schon die Verstärkungen vorgezogen und eingesetzt werden, ihnen beizustehen … da wir unsere Leute verloren, ohne gegen den Feind voranzukommen … der durch seine Verschanzungen gedeckt war, während wir … wie die Zielscheiben vor ihm standen … Da unsere besten Männer gefallen waren, waren wir am Ende so schwach, daß die Infanterie-Brigaden fast keine Pikeniere mehr hatten, die Fahnen zu schützen, denn die Musketiere waren durch die dauernden scharfen Angriffe zu erschöpft und aufgerieben.“ Im weiteren berichtet Munro kurz von den Kavalleriekämpfen an den Flügeln, wo die Reiter beider Seiten von eigenen Musketieren und Dragonern unterstützt werden. Um 13 Uhr erhält Munro selbst den Befehl, mit 500 Mann die Alte Veste anzugreifen: „Eine Menge Offiziere und Soldaten lagen überall blutend auf dem Boden herum.“ Munro macht sich mit der Lage vertraut: „Ich sah, daß die Feinde von Zeit zu Zeit aus ihren Schanzen mit kleinen Gruppen von Musketieren Ausfälle machten und auf uns feuerten, auch daß sie unsere eigenen Bewegungen ausspähten und sich erst wieder zurückzogen, wenn ihr Pulver verschossen war … „

 

Nach einer Weile erscheint sein Oberstleutnant Sinclair mit neuen 500 Mann, Munro und seine Truppe abzulösen. Munro zieht sich zurück. Er hat 200 Tote zu beklagen, „nicht eingerechnet die Offiziere und Soldaten, die verwundet worden waren.“ Sinclair bringt später sogar nur 30 Mann zurück (unter den Ausfällen sind allerdings viele Deserteure, die das Weite gesucht haben). Munro gibt die Verluste des kaiserlichen Heeres mit 1200 Mann, die eigenen aber mit 2000 Mann an.

 

Gustav Adolph bezeichnet es später auch als „Eselei“, den Hauptangriff gegen die stark befestigte Burg geführt zu haben.

 

Den linken Flügel führt der König anfangs persönlich. Dort ist zunächst nichts von den Kaiserlichen und Bayern zu sehen. Gustav Adolph wird von seinen Kundschaftern gemeldet, daß Wallenstein im Abzug begriffen sei. Deswegen schickt er den Großteil seiner Kavallerie um das Lager herum, um den abziehenden Feinden in die Parade zu fahren. Was seine (auch an anderen Stellen sehr schlechte) Feindaufklärung ihm jedoch nicht gesagt hat, die Katholischen stehen hinter dem Lagerwall in voller Schlachtordnug; denn hier erwartet Wallenstein ja den Angriff der Schweden. Gustav Adolph begibt sich nun zum Zentrum, um hier den Hauptangriff zu führen. Nachdem aber sämtliche Angriffe auf die Alte Veste liegenbleiben, kehrt der König an die linke Flanke zurück. Hier macht vor allem die Sternschanze (nach ihrer äußeren Form benannt) den Schweden Ärger. Diese haben ihr gegenüber eine eigene Batterie Kanonen in Stellung gebracht (6-8 Stücke), und unter deren Feuerschutz gehen sie unter persönlicher Führung des Königs vor. Bayerische Dragoner versperren ihnen den Weg und wehren sie ab, bis sie von finnischen (Finnland gehört damals zu Schweden) schweren Kürassieren vertrieben werde. Als nächstes fallen den Schweden 500 Kürassiere des bayerischen Regiments Fugger in die Seite, diese werden von 700 schwedischen Musketieren abgewehrt. Dann erobern die finnischen Infanteristen die Sternschanze und machen sich für den Angriff auf den eigentlichen Lagerwall bereit. Wallenstein schickt inzwischen immer mehr Truppen von der ursprünglichen Schlachtaufstellung ins Lager, um die Verteidigung dort zu stärken. Darüber ist es Spätnachmittag geworden. Die Schweden und Finnen kämpfen sich entlang der Straße eine Anhöhe hinauf, ihre rechte Hälfte bleibt im Feuer der katholischen Kanonen liegen, die linke Hälfte, und hier besonders die finnischen Eliteverbände, dringen bis zum Wall vor. Die hereinbrechende Nacht macht jedoch ein weiteres Vordringen zunichte.

 

Mit der Nacht kommt Dauerregen, der auch am nächsten Morgen anhält. Die Musketen können nicht mehr gezündet werden, die Geschütze lassen sich im aufgeweichten Boden nicht mehr bewegen. Frustriert bricht der König am Vormittag die Schlacht ab. Am 18. September verlassen die Schweden ihr Lager und ziehen ab. Zum ersten Mal sind sie – auf deutschem Boden – in einer größeren Auseinandersetzung nicht Sieger geblieben. Für Gustav Adolph ist es freilich nicht die erste Niederlage, in den Zwanziger Jahren des Siebzehnten Jahrhunderts hat er bereits bei seinen Kriegszügen gegen Polen-Litauen einige derbe Schläge einstecken müssen.

 

Bild links: Dragoner (beide Seiten)

Nachhall

 

Es verwundert schon ein wenig, daß die Schweden trotz massivster Verluste nur 1200 Tote und 200 Verwundete verloren haben sollen (Wallensteins Seite 300 bzw. 700). Wir erinnern uns an die Schlacht von Freiburg 1644, bei der die Franzosen bei ähnlich vergeblichen Sturmangriffen 6000 Mann, also knapp das Fünffache, verloren haben. Bei Munro sehen die Zahlen schon etwas anders aus, und wir sind geneigt, ihm Glauben zu schenken.

 

Und ja, wir geben es gern zu: In so gut wie allen Texten, die uns zur Verfügung gestanden haben, neigt der jeweilige Autor Gustav Adolph zu, während Wallenstein bestenfalls vernachlässigt, wenn nicht sogar verhöhnt wird (ein Schreiber unterstellt ihm, den Verstand verloren zu haben, weil er nicht viel früher angreift). Aber das kennen wir ja auch aus der heutigen Zeit: Bei der anderen Seite ist alles Heimtücke und böse, bei der eigenen alles berechtigt und gut, auch wenn beide das Gleiche tun. Deswegen haben wir gern den Glorienschein des „Löwen aus dem Norden“ (Selbstbezeichnung Gustav Adolphs) etwas kritischer unter die Augen genommen und sind dabei, ganz wie von selbst, zu einem eher Wallenstein-freundlichen Schlachtbericht gelangt. Sei’s drum!