Großer Nordischer Krieg 1700 - 1721

Mittwoch, 31. August 2016

Bild links: Schwedische Kavallerie (Strelets)

Nachbesserung I

 

Inzwischen sind wir auf neue Zahlen über die beteiligte russische Artillerie (also auf Renins Flügel) gestoßen. Demnach haben wir zu großzügig hochgerechnet, es sind keine 18, sondern nur 12 Geschütze, davon mindestens 8 mittlere. Die weiteren vier sind schwerer als die mittleren.

 

 

 

Nachbesserung II

 

Ja, es gibt tatsächlich so etwas wie ein Video zum Thema, oder sagen wir eher, eine Sammlung von Bildern, die zu einem Video zusammengefügt worden sind. Golowtschin/Holowczyn ist auch dabei (Bild 10), aber ebenso eine Menge anderer historischer Stätten (insgesamt 20). Auf jeden Fall empfehlenswert, die englischsprachige Mehranzeige: https://www.youtube.com/watch?v=cvgvvhJ_F_w

 

Einführung

 

Wir haben bereits erfahren, daß der schwedische König jetzt, im Jahre 1708, seinem schwersten Gegner, Rußland, den Garaus machen will. Er marschiert von Sachsen-Polen aus weit in das Land hinein, entlang der Beresina, und die Russen folgen ihm auf dem anderen Flußufer. Sie wollen ihm den Übergang versperren, doch er trickst sie aus, und während sie woanders auf ihn warten, setzen die Schweden über. An der Wabitsch (auch Babitsch), dem nächsten Flußhindernis, bauen sich die Russen erneut auf. Mangels Aufklärung durch eigene Reiter sind sie kaum im Bilde, wann und in welcher Stärke die Schweden anrücken. Nahe dem Dorf Wailiki besetzen sie das Flußufer, weil es hier Brücken gibt. Selbige werden gesichert, auch artilleristisch. Zwischen den beiden Brücken befindet sich aber ziemlich in der Mitte ein schwer zugängliches Sumpfgebiet, das die Russen nicht befestigen können und deswegen frei lassen, auch wenn damit ihre Armee in zwei Hälften geteilt wird. Im Süden steht General Repnin mit etwa 7500 Mann Infanterie, im Norden hat General Scheremetjew mit dem größeren Teil der Armee Stellung bezogen, weil man dort den schwedischen Angriff vermutet. Insgesamt stehen 30-40 000 russische Soldaten in der Gegend, von denen aber nur die Infanterie Repnins und einige tausend Mann Reiterei zum Einsatz kommen. Zwischen den beiden Hälften besteht kaum Verbindung, außerdem hat Repnin seine Regimenter ziemlich weit auseinandergezogen. Wie gesagt, man erwartet den Angriff im Norden.

 

Bild links: Russische Garde (Strelets) beim Händler nachfragen



Die Schweden ihrerseits haben die Stellungen der Russen längst ausgekundschaftet. Der schwedische König erkennt das Dilemma des russischen Schlachtaufbaus und beschließt, zwischen den beiden Hälften vorzustoßen. Um Mitternacht des 4. Juli erreichen die Schweden die Wabitsch und führen Reisigbündel und Faschinen mit (aus denen Schanzkörbe entstehen), um sie auf dem sumpfigen Boden auszulegen. Um 2 Uhr 30 beginnt der schwedische Artilleriebeschuß aus 28 Rohren, und erst jetzt werden die Russen auf den schwedischen Angriff aufmerksam. Man hält ihn dort aber für eine Finte, um vom eigentlichen Angriff im Norden abzulenken. Die Schweden überqueren zu Fuß den Wasserlauf – ihre Pontons lassen sich nicht einsetzen -, und jetzt kommt alles darauf an, wie rasch sie wie viele Truppen auf dem anderen Flußufer zusammen haben. Aber jetzt setzt auch die russische Artillerie ein und beschießt das Fußvolk.

 

Bild links: Schwedische Infanterie (Strelets)

 

General Repnin erkennt die Gefahr einer Spaltung der russischen Streitmacht und zieht sich aus den Stellungen in Richtung Norden zurück. Mittlerweile befinden sich bereits 5 schwedische Bataillone über dem Fluß (darunter die Elite-Einheiten), die sofort die Verfolgung der sich zurückziehenden Truppen aufnehmen. Als Scheremetjew endlich auf Repnins Hilfsgesuche reagiert und einige Bataillone losschickt, sind die Schweden bereits stark genug, um die beiden russischen Verbände daran zu hindern, sich zu vereinen. Repnin zieht sich nach Süden zurück.

 

 

Inzwischen hat auch schwedische Kavallerie in ausreichender Menge übergesetzt und greift die jetzt isoliert dastehende russische Reiterei an (sie hatte sich auf der Straße hinter Repnins Stellungen aufgebaut). Nach einem heftigen Gefecht müssen die Goltz’schen Reiter der schwedischen Übermacht weichen. Scheremetjew erkennt erst jetzt, daß er am falschen Ort ausgeharrt hat. Er will über den Fluß und in das kaum besetzte Lager der Schweden vorstoßen, doch da erreicht ihn die Nachricht vom Abzug des gesamten linken russischen Flügels (Repnin und Goltz). Er beschließt, ebenfalls nach Süden zu ziehen.

 

Bild links: Russische Kavallerie (Strelets)

 

Repnins Truppen sind vor den Schweden aber nur in ein nahegelegenes Waldstück zurückgewichen, von wo aus sie die in offenem Gelände stehenden Schweden gut sehen können. Sie beschießen sie aus allen Gewehren und bringen dem Feind große Verluste bei. Es dauert eine Stunde, ehe die Schweden ihre Gefechtsordnung wiederhergestellt haben. Dann stürmen sie mit ihrer Ga-Pa-Taktik (s. Großer Nordischer Krieg/Taktik/Schweden und Russen) in den Wald, und die Russen können ihrer Übermacht nicht lange standhalten. In einer Quelle finden wir den Hinweis, daß die Russen sich erst morgens gegen 7 Uhr aus dem Wald zurückgezogen haben sollen – was auch erklären würde, warum die Schweden draußen für die Russen im Wald gut sichtbar waren, immer wird es im Juli schon um 4 Uhr in der Frühe hell.

 

 

Nachwort

 

Die Verluste liegen nicht weit auseinander, knapp 1300 auf schwedischer Seite, 1650 auf russischer (Tote und Verwundete). Die Schlacht zählt zwar als schwedischer Sieg, aber nicht als entscheidender, denn die russische Armee konnte ihre Verluste leicht ersetzen (im Gegensatz zu den Schweden). Das nächste Mal begegnen sich Russen und Schweden noch im selben Jahr bei Lesnaja, und dann kommt 1709 Poltawa, sozusagen Karl XII. Stalingrad.

 

Bild links: Russische Infanterie (Zvesda) beim Händler nachfragen

 

Wir haben uns für diese Schlacht entschieden, weil hier eines der eher im Großen Nordischen Krieg seltenen Infanterie-Feuergefechte stattgefunden hat. Der Schwedenkönig hielt nicht viel von Schußwechseln, er wollte lieber mit Säbel und Pike gleich drauf auf den Gegner, weil er sich davon einen schnelleren und größeren Erfolg versprochen hat, und in den früheren Kriegsjahren hat er damit ja auch oft genug recht behalten, gleich gegen welchen Gegner.

 

 

Eigenartigerweise ist diese Schlacht auf englischen Webseiten relativ gut dokumentiert, zumindest die schwedische Seite, bei den Russen tappt man vielfach im Dunkeln. Vermutlich liegt das daran, daß Karl XII. irgendwann einmal behaupt haben soll, Golowtschin sei seine Lieblings-Schlacht gewesen. Am meisten haben wir über einen schwedischen Text gelacht, in dem frech behauptet wird, die paar schwedischen Regimenter, die über die Wabitsch gesetzt sind, hätten die gesamte russische Übermacht von etwa 40 000 Mann in die Flucht geschlagen; dieser Autor gibt die Verluste der Russen folgerichtig auch mit 6000 Toten an. Na ja, warum sollte man den Schweden das Angeben verübeln, wenn alle anderen es auch tun?