Kriege in Osteuropa


Donnerstag, 17. Oktober 2019

Bild oben: Verschanzte Kosaken wehren einen Angriff ab, gemeinfreie Darstellung

 

Was dazwischen geschieht

 

Nach dem Sieg der Kosaken bei Kosun muß man in der polnisch-litauischen Konförderation Zeit gewinnen, um neue Truppen aufzustellen. Außerdem ist der polnische König, Wladislaw IV., im Mai gestorben, und ein neuer muß gewählt werden, was in Polen keine ganz einfach Sache ist. Die Polen erleiden bei Piljiwets eine weitere vollständige Niederlage, aber auch bei den Kosaken läuft nicht alles ganz rund, weil in ihren Reihen eine Pestepidemie ausgebrochen ist. Dennoch können sie einige Städte kampflos einnehmen, den Polen fehlt es an den Kräften, sie zu verteidigen.

 

Im Dezember 1648 wird Jan Kasimir neuer König von Polen und erkennt gleich, daß die Kosaken mittlerweile Kleinrußland (weiterer damaliger Name für die heutige Ukraine) beherrschen und die Einheit der Konförderation erheblich gefährden. Im Frühjahr unternehmen die Polen unter ihrem neuen König einen neuen Feldzug, geraten aber bei Zbarash in einen Hinterhalt und sitzen in der Falle. Als keine Rettung mehr möglich zu sein scheint, verfällt Jan Kaismir auf einen Plan, wie ihn schon andere polnische Könige vor ihm hatten: Er besticht die Tataren, Khmelnitzki zu verlassen. Die Reiter von der Krim sind diesmal so nett, die Kosaken dazu zu bewegen, mit dem König einen Ausgleich zu suchen. Ohne Reiterei können die Kosaken wenig ausrichten. Der litauische Hetman Radziwil rückt mit einer Armee an, welche die Kosaken jedoch durch eine Guerilla-Kriegführung aufhalten können. Im August 1649 wird von beiden Seiten der Zborer Frieden unterzeichnet, und das ganze Jahr 1650 verbringen Polen wie Kosaken damit, ihre Armeen wieder aufzubauen. 1651 kommt es zu einigen kleineren Gefechten, bis man sich im Juni bei Berestetskaja trifft, wo die Kosaken ihre erste größere Niederlage erleben …

 

Bild oben: Karte der Schlacht, unten die Wagenburg mit Wall der Kosaken


Der Weg zur Schlacht

 

Nach dem Friedensschluß von Zborowski nimmt Polen 1651 den Kampf gegen die Armee von Khmelnizki wieder auf. Die Angaben über die Armeestärke, mit der König Jan Kasimir ins Feld zieht, sind wieder einmal ins Gigantische aufgebläht, verschiedenen Schätzungen zufolge besteht die polnisch-litauische Armee aus 57 bis 240 Tausend Mann, für die Kosaken werden 100 000 Fußsoldaten und 25 000 krimtatarische leichte Reiter veranschlagt. Ohne Gefühl für Ironie sprechen einige polnische Quellen daher auch von der größten Schlacht des 17. Jahrhunderts.

 

Weil der Tataren-Khan mit seiner Armee noch zu weit entfernt steht, ist Khmelnitzsky zur Untätigkeit verdammt. Den Polen wird damit möglich, bis nach Berestechka vorzustoßen (im Westen des Landes). Mitte Juni treffen die Tataren ein. Polnische Späher entdecken am 27. Juni den Heereszug und melden, daß der Feind eingetroffen sei. Schon am nächsten Morgen kommt es zu ersten Zusammenstößen mit tatarischen Vorhuten.

 

Schlachtbericht

 

Am 28. Juni zünden die Tataren ein Dorf in der Nähe des polnisch-litauischen Heerlagers an, ziehen sich zurück, stoßen erneut vor, ziehen sich wieder zurück und so weiter, um den Feind herauszulocken. Auch polnische und kosakische Spähtrupps geraten aneinander. Am folgenden Tag nimmt sich der Khan mit seinen Reitern die Haupthöhen vor. Die Polen unternehmen gleichzeitig schwere Angriffe auf das Kosakenlager (eine Wagenburg), aber Khmelnizki schlägt sie in die Flanke und schneidet die polnische Armee von ihrem eigenen Lager ab. Die Kosaken erbeuten dabei 28 Fahnen, darunter die von Hetman Pototsky.

 

Am Morgen des 30. Juni bauen sich die Polen in klassischer Schlachtordnung auf, an den Flügeln Kavallerie (die polnisch-litauische Arnee setzt immer noch den Schwerpunkt auf die Reiterei) und im Zentrum die polnische (Haiduken) und die „deutsche“ (Söldner-) Infanterie, letztere hauptsächlich nach dem Ende des 30-jährigen Krieges arbeitslos gewordene Truppen. Der König stellt sich zu seinem Fußvolk.

 

Polnische Truppen, in deren Reihen auch Kosaken kämpfen (das Königreich ist der Hauptarbeitgeber für Kosaken am rechten Dnjepr-Ufer, und nicht alle schließen sich dem Aufstand an), greifen das Kosakenlager an. Khmelnitzki startet einen Gegenangriff, der jedoch von den deutschen Söldnern gestoppt wird. Die Kosaken ziehen sich ins Lager zurück, und die Polen fangen an, die auf den Haupthöhen sitzenden Tataren zu beschießen (mit Artillerie, gegen die die Reiter nichts ausrichten können). Der Khan verläßt daraufhin mit seinen Männern das Schlachtfeld und entblößt so die Kosaken nicht nur von Kavallerie, sondern auch an der linken Flanke. Khmelnitzky reitet ihnen nach und holt sie ein, doch diese halten ihn fest, und die Kosaken sind führerlos.

 

Der 1. Juli verläuft ereignislos, beide Seiten lecken ihre Wunden. Die Kosaken errichten und erhöhen den Wall um ihre Wagenburg, die Polen bringen weitere Kanonen in Stellung. Das Feuergefecht hält sich, die Kosaken unternehmen schließlich einen Ausfall. 2000 Kosaken verlassen das Lager und vertreiben die Polen von der Hügelkette.

 

In der Nacht zum 3. Juli stoßen die Polen die Kosaken von den Hügeln und treiben sie in ihr Lager zurück. Die nächsten Tage vergehen mit wechselseitigem Beschuß und ersten Waffenstillstansverhandlungen, die natürlich noch zu keinem Ergebnis führen. Am 9. Juli erfahren die Kosaken, daß ein polnischer Hetman mit seinen Truppen den Sumpf im Rücken ihres Lagers durchquert hat. Die Kosaken kennen die Pfade hindurch und haben sich so mit Verpflegung versorgt. Wenn selbige jetzt gesperrt sind droht den Kosaken und ihren Pferden eine Hungersnot. Sie schicken erneut Gesandte zu den Polen, doch ihre Vorschläge werden abgelehnt. Statt dessen überlegen die Polen, im Sumpf einen Damm zu erreichten, um das Kosakenlager zu überfluten.

 

Am 10. Juli verläß das Winnitza-Regiment der Kosaken das Lager, um die Pölen vom Wasser zu vertreiben. Die verbliebenen Kosaken-Regimenter ziehen sich immer weiter zurück. Die Polen setzen ihnen nach, und da die Aufständischen nicht mehr von ihrer Wagenburg geschützt werden, leisten sie bald auch keinen koordinierten Widerstand mehr. Viele von ihnen ertrinken im Sumpf.

 

Die Polen brüsten sich mit 30 000 gefallenen Kosaken, obwohl deren gesamte Armee bei weitem nicht eine solche Größe hat. Und so wurden bis zum heutigen Tag auch erst einige hundert Leichen auf dem Schlachtfeld ausgegraben. Etliche Tausend von ihnen können entkommen, und nur wenige Monate später kann Khmelnitzki die Polen mit eben dieser Armee bei Weißen-Kirche aufhalten.

 

Bild oben: Bogdan Khmelnitzki (ro) und der Tataren-Khan (weiß); gemeinfreie Darstellung

 

Nach der Schlacht

 

Bis heute ist es ein Rätsel geblieben, warum die Tataren die Kosaken im Stich gelassen haben. Verschiedene Historiker warten mit unterschiedlichen Erklärungsversuchen auf: die Tataren seien in Panik geraten, ein tatarischer Feiertag habe angestanden, an dem sie nicht kämpfen durften und so fort. Nur das, was uns hier gleich in den Sinn gekommen ist, errät offenbar keiner: Der polnische König hat wieder mit Geld nachgeholfen, aber wir wollen ja nichts gesagt haben.

 

Zahlenspiele

 

Wir haben vorher schon auf die gewaltigen Diskrepanzen zwischen den einzelnen Angaben zur Stärke der beiden Armeen hingewiesen. Unter der Anleitung von Nikolaj Burlankow haben wir die Angaben auf der polnischen Wikipedia-Seite als diejenigen ermittelt, die der Wahrheit vermutlich am nächsten kommen:

 

16-17 000 Kosaken-Infanterie

6-7000 Krim-Tataren-Reiterei

23 000 Mann gesamt

 

Polen

 

12 000 berittene Kosaken (bei den Polen ist “Kosak” ein Waffengattungsname, dabei handelt es sich keineswegs um echte Kosaken) Die berittenen Kosaken dienen dazu, den Husaren-Regimentern Masse zu verleihen (1. Reihe Husaren, 2. - 5. Reihe Kosaken)

 

2500 Husaren

2500 Kürassiere (“deutsche” Söldner)

3000 leichte Reiter

20 000 gesamt Kavallerie

 

2800 Haiduken (polnische Schützen)

9000 Deutsche Musketiere und Pikeniere (Söldner)

2000 Dragoner (äußerlich wie Haiduken)

13 800 gesamt Infanterie

 

 

 

Und beim nächsten Mal

gießen wir eine Szene in eine nachgestellte Schlacht.