Kriege in Osteuropa

Schlachten
Belagerung von Narwa 1558

  • Einführung und Schlachtaufstellung

Mittwoch, 13. Februar 2019

Bild oben: Siege of Narva 1558 by russians. Livonian war Author: Boris Chorikov, 1836

 

Wie alles so kommt, wie es kommt

 

Der Livländische Krieg hat etwa 25 Jahre gedauert (1558-1583) und gehört zu den bewaffneten Auseinandersetzungen, mit denen Zar Iwan IV. versucht, sein russisches Reich aus der Isolation zu führen, in die es aufgrund der mongolischen Besetzung und Unterdrückung geraten war. Dazu zählt vor allem, die Feinde jenseits der Grenzen zu schlagen, um so Zugang zu anderen Staaten und Ländern zu finden. Bereits 1552 ist den Russen ein bemerkenswerter Erfolg gelungen: Die Tataren im Osten, das Khanat von Kasan, werden besiegt, der Weg nach Osten ist frei und schon einige Jahre später setzt die Erforschung und Eroberung Sibiriens ein. 1554 wird das Khanat Astrachan Vasall des Zaren, und somit gewinnt Rußland im Süden die Wolgamündung und einen Zugang zum Schwarzen Meer hinzu. Weitere Gegner sind Litauen (im wesentlichen Weißrussen), Schweden (wir erinnern uns, die Schweden möchten die ganze Ostsee für sich gewinnen und können deswegen keinen großen neuen Konkurrenten wie Rußland gebrauchen) und Polen (das noch während des Krieges ein noch engeres Bündnis mit Litauen eingeht (1569 die „Rzeczpospolita“ - abgeleitet aus dem Llateinischen „res publica“), bei uns bekannt als „Adelsrepublik“. Diese Mächte führen reihum mit Rußland den Livländischen Krieg, weswegen er vermutlich auch so lange gedauert hat.

 



1558 drängt der Zar auch nach Westen. Die Ostsee ist sein Ziel, ein Hafen muß her, um beim internationalen Handel mitzumachen und mit dem Rest Europas Kontakt aufzunehmen. Im Westen sitzen aber gleich mehrere Gegner und blockieren die Zugänge zur Ostsee. Die Konföderation Livland oder einfacher ausgedrückt, das, was vom Deutschen Ordenssaat übriggeblieben ist (der eine Teil, der in Preußen, ist bereits im vorangegangenen Jahrhundert untergegangen und Lehnsnehmer des polnischen Königs geworden). Die „Deutschen“, wie sie von allen Nichtdeutschen genannt werden, sind nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe, und, wie üblich, untereinander zerstritten.

 


Bei den „Nichtdeutschen“ im Lande handelt es sich um die Bewohner der jeweiligen Landstriche: Kuren (Kurland), Semgallen (Semgallen), Liven (Livland) und so weiter. Heute kennt man das Gebiet als Lettland, aber der Begriff Lettland als Nation stellt –wie auch Ukraine – eine Idee des 19. Jahrhunderts dar und spielt also für unsere Geschichte keine Rolle. In einigen Quellen werden die Landbewohner bestimmter Gebiete Letten genannt, womit aber eher die Unterschicht (keine Volkszugehörigkeit) gemeint ist, im Gegensatz zu den Deutschen, der Oberschicht, die vor allem in den Städten wohnt; diese sind meist wohlhabend und wenn an einem Wasserlauf oder der Küste gelegen Mitglied der Hanse. Das Baltikum hat dem Deutschen Orden viel Kultur, aber auch viel Ungemach zu verdanken. In typischer Herren-Manier werden die „Letten“, bei denen es sich durchweg um Slawen handelt, von den katholischen, später evangelischen Deutschen schlecht behandelt. Und so bestimmen auch viele

 

Dünkel das Verhalten der Deutschen gegen die ebenfalls slawischen Russen.

 

Bild links: Narwa und Iwangorod


Der Krieg beginnt

 

Man braucht einen triftigen Grund, um einen Krieg vom Zaun zu brechen, das ist heute so, das war schon damals so, und darin unterscheiden sich die Russen nicht von anderen Mächten. Zwar unterstellt im 16. Jahrhundert niemand dem Deutschen Orden, Massenvernichtungswaffen zu horten, aber man kann ihnen einen Vertragsbruch ankreiden. Die Livländer müßten eigentlich dem Zaren einen jährlichen Tribut zahlen, aber das haben sie nicht getan, und den hat der Herrscher selbst noch nie eingefordert. Die Ritter bringen die Sache selbst wieder auf den Tisch, und Iwan erkennt sofort die günstige Gelegenheit. Er verlangt die ultimative Zahlung, und die versprechen die Livländer auch. Aber sie bringen das Geld nicht zusammen und wollen die Schulden stunden, nur einen Teil zahlen oder, am liebsten, die ganze Angelegenheit schnell wieder vergessen. Solche lahmen Ausreden bringen den Zaren natürlich in Rage, und er schickt Anfang des Jahres 1558 eine 40 000 Mann starke Armee nach Livland, um dort soviel Schaden wie möglich anzurichten. Diese Truppe sammelt sich im Raum Pskow, marschiert in mehreren Korps los und setzt sich mindestens zur Hälfte aus Tataren zusammen (aus Kasan und von anderen Nomadenvölkern an Rußlands Grenzen), und die zeigen sich seit jeher bei Plünderung, Brandlegung und Schändung wenig zimperlich. So steht auch eines der Korps unter dem Befehl des Tataren-Khans Schig-Ali. Allerdings berichten die Chronisten, auch die russischen, daß die Russen kräftig bei den Schandtaten mitgemacht hätten. Der Deutsche Orden verfügt über viel zu wenige Truppen, um diese Armee aufhalten zu können, und wenn sich doch mal eine Abteilung aus einer der Städte wagt, um die Russen und Tataren zu verscheuchen, wird sie regelmäßig zusammengehauen. Der russischen Armee ist aufgetragen, größere Ortschaften links liegenzulassen. Aus Dorpat, der zweitgrößten Stadt des Landes, ziehen ihnen 500 Mann entgegen (Fußvolk und Panzerreiter), die völlig aufgerieben werden. Zwei berittene Strelitzen-Regimenter (sie können sowohl reiten, als auch zu Fuß wie zu Pferd kämpfen) sind darunter, die vor allem das Land des Bistums Dorpat verwüsten.

 

Ende Februar ziehen die meisten Truppen beutebeladen in die Winterquartiere zurück. Der Zar glaubt, daß die Livländer diese „Botschaft“ verstanden haben, und wartet auf eine neue Gesandtschaft der Gegenseite. Im März kommt in Weiden der Livländische Landtag (die Vorform eines Parlaments) zu einer Notsitzung zusammen und berät, wie man die Russen besänftigen kann. Man beschließt, endlich den Tribut zu entrichten, immerhin 60 000 Mark. Aber bis Mitte April hat man noch nicht einmal die Hälfte beisammen.

 

Als Ende April eine Gesandtschaft in Moskau eintrifft – immerhin mit dem Betrag, der inzwischen eingesammelt worden ist – glauben beide Seiten noch an eine friedliche Lösung. Der Zar verfügt einen Waffenstillstand und will den Livländern lediglich noch ein paar Bedingungen auferlegen. Doch es kommt alles ganz anders.

 

 

Lehren

 

Die ersten Monate des Krieges vergehen ohne Feldschlachten und Belagerungen, sondern bringen lediglich Terror gegen die Landbevölkerung mit sich. Aber eine solche Kriegführung ist in jenen Zeiten auch im zivilisierten West- und Mitteleuropa üblich, man denke nur an die Massaker im 80-jährigen oder im 30-jährigen Krieg; und wem die „Verbrannte Erde“ der Wehrmacht in der Sowjetunion in den Sinn kommt, der liegt auch nicht ganz falsch. Dennoch haben gerade im Heiligen Römischen Reich die „Gutmenschen“ über die Barbarei der Russen gejammert.

 

Wir werden im folgenden noch auf weitere Gleichmäßigkeiten sowie Merkwürdigkeiten im Livländischen Krieg stoßen und sie in den „Lehren“ kommentieren.

 

In der nächsten Folge der Schlachtbericht zu Narwa.