Kriege in Osteuropa


Mittwoch, 11. April 2018

Bild links: Türkische schwere Infanterie 17. Jh. 1/72, Artikel-Nr.: MS72091

 

 

Quellenlage

 

Die ist diesmal besonders schlecht, dann machen wir eben eine kürzere Sache daraus. Vielleicht sind die wenigen Nachrichten und Kommentare zur Schlacht auch deswegen so dünn gesät, weil beide Seiten keinen so ganz richtigen Sieg erringen konnten, obwohl die Türken einen Erfolg errungen haben.

 

Wie alles kam …

 

Wir befinden uns mitten im Großen Türkenkrieg, der mit der Belagerung von Wien 1683 seinen Anfang nahm und mit dem Frieden von Karlowitz 1699 sein Ende findet. Sein Ende? Ein paar Jahre später geht es schon wieder los.

 

Wir befinden uns im Jahre 1696, also im letzten Viertel des Großen Türkenkrieges. Anfangs ist der für die österreichische oder kaiserliche Sache und seiner Verbündeten alles gut gelaufen, doch dann bricht Ludwig XIV. von Frankreich 1688 den Pfälzischen Erbfolgekrieg vom Zaun (bis 1697), und der Kaiser sieht sich nur mit allergrößter Mühe in der Lage einen Zweifrontenkrieg zu führen. So zieht er große Truppenmengen von der Ungarnfront ab (auch viele Generäle und Heerführer), und die übriggebliebenen Truppen müssen sehen, wie sie gegen die Türken zurechtkommen. Kroaten, Serben und andere Balkanvölker stellen Freiwillige (Ungarn kämpfen auf beiden Seiten), und so wurschtelt man sich durch. So kann es kaum verwundern, daß sich die Niederlagen und Fehlschläge häufen – Belgrad, Lugos und jetzt eben Olasch. Dabei beurteilen die meisten Historiker diese Schlacht als eine unentschiedene. Die Türken haben aber die Nase ein Stück weit vorn, denn diesem Unentschieden verdanken sie es, daß die Christen die Belagerung der osmanisch besetzten Festung Temeschwar oder Temesvar (im heutigen Rumänien, die Region wurde damals Ungarn zugerechnet) aufgeben müssen.

 

Bild links: Temeschburg unter den Türken

 

 Das kaiserliche Heer in Ungarn steht seit dem Abrücken von Ludwig Wilhelm, Markgraf von Baden, dem „Türken-Louis“, unter dem Oberbefehl von Ernst August, dem Kurfürsten von Sachsen. Er wird den Beinamen „der Starke“ erhalten, was auf seine Körpergröße und seinen überreichen Kindersegen zurückzuführen ist, nicht aber auf seine Feldherren-Qualitäten. Seine mäßige Begabung auf diesem Gebiet zeigt sich auch später im Großen Nordischen Krieg, als seine Truppen gegen die Schweden eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen.

 

Die langfristige Strategie des Kaisers und seiner Verbündeten zielt darauf ab, den türkisch besetzten Teil Ungarns zu befreien, und dazu gehören damals weite Teile Rumäniens. Aufgrund verschiedener Schwierigkeiten kann man erst am 3. August des Jahres mit der Belagerung Temeschwars beginnen, dem Hauptziel des diesjährigen Feldzuges. Doch die Türken, die sich schon seit einiger Zeit im Aufwind fühlen, rücken mit einer Armee zur Entsetzung der Festung heran. Am 15. August überschreiten die Osmanen den Fluß Temesch, und am 19. August beschließen die Belagerer, selbige aufzuheben und den Feinden entgegenzuziehen.

 

Die Türken haben inzwischen nahe Parkany eine verschanzte Stellung zwischen zwei Sümpfen errichtet. Der sächsische Kurfürst scheut sich davor, eine so starke Stellung anzugreifen, will sie lieber umgehen, sich mit seinen Reserven vereinen und die Osmanen von ihrer Versorgungsstelle Belgrad abschneiden. Aber der türkische Oberbefehlshaber, Sultan Nustafa II., durchschaut diesen Plan und durchkreuzt ihn mit einem Flankenmarsch, der ihn näher an Temeschwar heranführt. Damit sind die Manövrier-Möglichkeiten vorerst ausgereizt, und die Schlacht wird unvermeidlich.

 

Bild links: Sächsische Kavallerie (berittene Grenadiere) um 1699 –Darstellung nach Knötel

 

Truppenstärken

 

Sämtliche uns vorliegenden Quellen geben nur Gesamtzahlen an, und leider noch nicht einmal übereinstimmend. Daß die türkischen Quellen ihre eigene Armee herunterrechnen und die des Kaisers kräftig aufrunden, ist verständlich, das machen alle anderen schließlich auch. Daß aber die englischsprachigen Quellen ebenfalls die Zahl der Kaiserlichen um ein Viertel höher als die der Osmanen ansetzen, wirkt befremdlich (und daß die Werte bei ihnen alle gleich sind, geht darauf zurück, daß sie alle beieinander abgeschrieben haben). Wir ärgern uns also wieder einmal über die schludrige Recherche jenseits des Ärmelkanals und halten uns an die deutschen Zahlen.

 

Danach unterstanden Friedrich August 38 000 Mann, während Mustafa 60 000 ins Feld führte.

 

Türken: Aus anderen Quellen wissen wird, daß osmanische Armeen jener Zeit einen sehr hohen Anteil an Janitscharen (reguläre Schützen) aufweisen und würden für die vorliegende Armee ca. 25000 Mann ansetzen, die mittlere (Schlacht-)Reiterei macht in der Regel ein Viertel aus, also 15000 Mann, und der Rest verteilt sich auf Palasttruppen (schwere Reiterei, Artillerie und diverse andere), rechnen wir insgesamt 5000 Mann, und irreguläre Reiterei und loses Fußvolk (meist Schützen) mit insgesamt 15000 Mann.

 

Kaiserliche: Zu jener Zeit (verbesserte Musketen, Bajonette) bestimmt die Infanterie das Schlachtfeld, zumindest in christlichen Heeren. Das Fußvolk stellt in der Regel zwei Drittel, die Kavallerie ein Drittel der Truppen.

 

Bild links: (Türkische Darstellung der Schlacht bei Cenei)

 


Schlachtablauf

 

Am 26. August kommt es dann zur Schlacht, und zwar bei Olasch oder am nahen Fluß Bega. Olasch heißt bei anderen Völkern Ulas oder Cenei. Im kaiserlichen Kriegsrat herrscht große Uneinigkeit, weil man den Gegner von der Festung fortlocken will, aber wie? August der Starke entscheidet sich für einen Angriff, den fast der gesamte restliche Kriegsrat ablehnt. Aber der Sachse ist nun einmal der Oberbefehlshaber an der Ungarnfront, und deswegen gilt sein Wort.

 

Die Infanterie-Bataillone der Kaiserlichen (darunter viele Sachsen; Sachsen unterhält neben einigen anderen deutschen Staaten wie Brandenburg oder Bayern eine eigene Armee - weil die Sachsen ein sehr großes Kontingent in diese Armee einbringen, konnte man von Seiten des Kaisers vermutlich auch nicht umhin, dem Kurfürsten den Oberbefehl zu übertragen) rücken am linken Flügel vor – gegen starkes feindliches Artillerie- und Schützenfeuer. Hier scheint also die alte osmanische Taktik noch einmal zu funktionieren.

 

Doch Mustafa sendet auch seine Sipahi, die Schlachtreiterei gegen die sächsische Infanterie aus. Namentlich werden die sächsischen Regimenter „Jordan“ und „Bornstädt“ genannt, die besonders hohe Verluste erleiden. Der linke Flügel gerät ins Wanken, und erst das Eingreifen der kaiserlichen (in den Quellen so genannt, also keine sächsische) Schlachtreiterei rettet den Flügel. Die Kämpfe zwischen Musketieren und Janitscharen, Kürassieren und Sipahi setzen sich bis in die Abendstunden fort, danach ruhen sie. Nach der damals üblichen Taktik rücken nach dem ersten der nächste und dann der verbliebene Flügel vor, doch gelingt dem rechten wie dem Zentrum nirgendwo ein Durchbruch, sie geraten andererseits aber nicht so in Bedrängnis wie der linke.

 

Am nächsten Morgen rücken beide Armeen wieder aus ihren Lagern und bauen sich wieder in Schlachtordnung auf, doch keine Seite unternimmt einen neuen Angriff.

 

Nachhall

 

Die Christen ziehen ab, und die Türken behalten die Festung Temeschwar, verlieren sie erst 1718. Am Wiener Hof wird August dem Starken die Schuld am gescheiterten Feldzug gegeben. Der Hofrat stellt ihm einen Berater oder Adjutanten zur Seite; der sächsische Kurfürst versteht den Wink, sicher ist auch gekränkte Eitelkeit im Spiel, und tritt er im Oktober des Jahres von seinem Posten zurück. Außerdem wird ein neuer polnischer König gesucht, und um diese Krone bemüht er sich erfolgreich.

 

Der Berater wird nach ihm Oberbefehlshaber an der Ungarnfront, es ist Prinz Eugen von Savoyen.