Kriege in Osteuropa


Montag, 18. November 2019

Bild links: Janitscharen,
Set 72089. Osman Yeniceri Infantry 16-17th Century

 

Die Vorbemerkung:

Und schon wieder ein Virus, aber diesmal keiner, der zu einer schweren Erkältung führt, sondern das Internet lahmlegt. Unser Server war mehrere Tage lang kampfunfähig, weswegen uns auch nicht viel anderes übrigblieb, als vor dem Monitor zu hocken und in der Nase zu bohren.

 

Es geht los

Die Habsburger haben sich die Herrschaft geteilt, Kaiser Karl V. ist zur Zeit in Oberitalien beschäftigt, wo der Franzmann Ärger macht. Die militärischen Kräfte der Österreicher sind zu dieser Zeit also zu einem erheblichen Teil in Italien gebunden. Erzherzog Ferdinand, Karls Bruder und Herrscher über das Deutsche Reich und die sonstigen Habsburger Lande versucht deshalb, den osmanischen Vormarsch mit Friedensangeboten zu verlangsamen. Auf dem Reichstag zu Speyer gelingt es ihm, mit ausführlichen Schilderungen der Greuel, die die Türken im besetzten Ungarn verübten, dafür zu sorgen, daß der Fürstenrat ihm Geld und Truppen zur Verteidigung zur Verfügung stellt, aber beides bleibt hinter seinen Erwartungen zurück; außerdem dürfen die mit dem bewilligten Geld besoldeten Kämpfer die Reichsgrenze nicht überschreiten. Eine staatsrechtliche Besonderheit: Reichstruppen aus den 10 Reichskreisen dürfen nur ausgehoben und eingesetzt werden, wenn ein äußerer Feind ins Reich einfällt.

 

Bild links: Landsknechte

Set 72058, Landsknechts (Pikemen)


Sulejman I. bricht mit einer großen Streitmacht am 10. April 1529 von Konstantinopel auf. Auf dem Weg durch Südosteuropa strömen seinem Heer zusätzlich zahlreiche Garnisonen zu. Auch einige ungarische Aufständische schließen sich ihm an. Im September tauchen in der Umgebung Wiens die Vorboten des Türken-Heeres auf, eine Truppe von etwa 20 000 Akındschı. Diese leichten Reiter erhalten keinen Sold, sondern plündern, brennen, morden, vergwaltigen und versklaven die Bevölkerung in den Städtchen und Dörfern rings um Wien, eine Terror-Truppe also, die sich ohne Rücksicht auf Verlust an den verhaßten Christen schadlos hält.

 

Eine große Zahl von Wiener Bürgern flüchtet ab dem 17. September. Darauf haben die Akindschi nur gewartet: Viele Flüchtende fallen ihnen auf dem Weg in die vermeintliche Sicherheit in die Hände.

 

Wien wird von der Stadtgarnison, den Resten der Stadtmiliz und mehreren Tausend deutschen und spanischen Söldnern verteidigt, darunter einige Panzerreiter unter dem Kommando des Pfalzgrafen Philipp, der auch den Oberbefehl innehat; letztere treffen ein, kurz bevor sich der Belagerungsring schließt. Die vom Reichstag bewilligten Reichstruppen, insgesamt 1600 Reiter, kommen dagegen zu spät und bleiben bei Krems an der Donau zurück. Insgesamt konnten die Verteidiger der Stadt etwa 17.000 Soldaten aufbieten, meist Landsknechte. Der Zustand der im 13. Jahrhundert erbauten Stadtmauer Wiens kann nur als mangelhaft bezeichnet werden.

 

Am 23. September erreichen die Türken die Stadt, die bis zum 27. September ringsum eingeschlossen ist. Jetzt müssen wir wieder vorsichtig mit den vorliegenden Zahlen umgehen. Die Türken bringen angeblich 150 000 Mann mit. Davon sollen jedoch nur 80 000 türkische sowie 15 000 bis 18 000 Soldaten aus den Vasallenstaaten Moldau und Walachei (der/die/das Gutmensch in Wikipedia versucht, uns Serbien als Vasallenstaat zu verkaufen, dabei ist selbiges seit 1459 Bestandtteil des türkischen Reiches). Wir sollten bei solchen Massen-Heeren – immer noch 113 000 Mann bei der kämpfenden Truppe – zutiefst mißtrauisch sein. Wer setzt solche Zahlen in die Welt? Oft der politische Gegner. Gehen wir einmal vorsichtig von einem Drittel aus, das sind immer noch knapp 38 000 Streiter und damit mehr als doppelt so viele wie die Verteidiger. Die türkische Militärgeschichtsforschung holt inzwischen endlich nach, was sie viele Jahre lang sträflich vernachlässigt hat. Wir können uns also in den nächsten Jahren auf immer mehr Quellen freuen. Nur an den Zahlen hat sich auch dort noch nicht viel getan.

 

Bild links: Abgestiegene Panzerreiter

Set 72063, Landsknechts Heavy Infantry

 

 

Die Türken führen allerdings nur zwei Belagerungs-geschütze mit; außerdem 300 leichte und mittlere Feldgeschütze, die allerdings bei einer Belagerung wenig taugen. Die Wiener verstärken die Stadtmauern mit Erdwällen und lassen die Tore, bis auf eines, zumauern. 72 Kanonen sind vorhanden, und die Vororte (die jenseits der Stadtmauern gelegenen Siedlungen) werden abgerissen, um ein freies Schußfeld zu ermöglichen und den Angreifern keine Deckungsmöglichkeiten zu bieten. Doch man wird nicht rechtzeitig damit fertig.

 

Ibrahim Pascha, der auf Wunsch des Sultans den türkischen Oberbefehl innehat, konzentriert sich auf das Kärntner Tor als seiner Ansicht nach größten Schwachstelle. Der Artilleriebeschuß zeigt erwartungsgemäß wenig Wirkung. Also graben die Türken unterirdische Gänge, „Minen“, die bis unter die Stadtmauern reichen und an den wichtigen Stellen mit Pulverfässern gefüllt und zugemauert werden, um zur Zündung zu gelangen und die entsprechenden Mauerstücke zum Einsturz zu bringen. Anwesende deutsche Bergleute graben sich ihnen entgegen. So können die meisten Minen ausgeschaltet werden, aber leider nicht alle. An einigen Stellen, sackt die Mauer ein. Die Wiener errichten dahinter Schanzen und konzentrieren dort Arkebusiere und Pikeniere. Die angreifenden Türken – Adschabi, das sind Leichtbewaffnete, die ohne Sold und für Beute kämpfen, und Janitscharen – kommen gegen die Deutschen und Österreicher nicht an. Einem langen Spieß haben sie nichts entgegenzusetzen, die Hellebarden werden ihnen ebenfalls gefährlich, und überhaupt sind die Verteidiger besser gepanzert (die Adschabi hingegen überhaupt nicht, und auch unter den Janitscharen finden sich nur ein paar Kettenhemden).

 

Die Landsknechte und abgestiegene Panzerreiter unternehmen mehrere Ausfälle, doch am 12. Oktober beginnt der Großangriff der Türken. Auch der scheitert unter hohen Verlusten. Inzwischen hat sich die Versorgungslage bei den Türken entschieden verschlechtert. Ein früher Wintereinbruch verhindert, daß geregelt Nachschub heranrollt, und da die Akindschi in weitem Umkreis von Wien alles in Schutt und Asche gelegt haben, kann man auch aus dem Umland keine Nahrungsmittel heranschaffen.

 

Am 14. Oktober gelingt es den Türken, das Kärnter-Tor zum Einsturz zu bringen, doch die Trümmer fallen nach außen, so daß die Aschabi und die Janitscharen erst darübersteigen müssen, um in die Stadt zu gelangen. Sie werden zur leichten Beute für die Pikeniere und Schützen. Die Türken rücken ab.

 

Bild links: Adschabi

Set 72097, Turkish Eyalet Infantry

 

Nachspiel

 

Während in westlichen Quellen die gescheiterte Belagerung Wiens als grroßer Sieg gefeiert wird, bleiben die türkischen ziemlich gelassen. Für sie ist das Ziel erreicht worden: den türkisch besetzten Teil Ungarns dauerhaft in Besitz zu nehmen (tatsächlich dauert es bis nach der zweiten Belagerung Wiens, 1683, bis sie den wieder verlieren).

 

Zweitens hat man dem bedrängten Verbündeten Frankreich und seinem König Franz I. eine Atempause verschaffen können. Nach der für Frankreich verheerenden Schlacht von Pavia benötigt das Land dringend Hilfe. Laut türkischen Quellen soll Franz I. Mutter einen Bittbrief an den Sultan gerichtet haben (Ob sie ihrem Sohn auch immer noch Entschuldigungen geschrieben hat?)

 

Und drittens hat man den verhaßten Christen gezeigt, daß man auch ganz anders könnte, wenn man nur wollte; interessanterweise können die Türken nicht sehr viel weiter als Wien vordringen, wenn sie in der warmen Jahreszeit in Istanbul aufbrechen (die Masse der Armee besteht immer noch aus Fußgängern). Ihre Akindschi erreichen offiziellen Angaben zufolge allerdings Regensburg in Bayern und Brünn (Brno) in Tschechien.

 

Auch verwundert der Umstand, daß die Türken nur so wenig Belagerunsgerät dabeihaben. Sie haben bei mehreren Gelegenheiten bewiesen, daß sie erfolgreich Städte einschließen und einnehmen können. Als Grund werden oft die verschlammten Wege angegeben. Aber hätte man die schweren Geschütze nicht über die Donau heranführen können, wie man das auch bei anderen Gelegenheiten bewerkstelligt hat? Diesen Strom hatten die Türken bereits weitgehend unter Kontrolle.

 


Beim nächsten Mal

stellen wir eine Szene aus dieser Belagerung nach.