Kriege in Osteuropa


Donnerstag, 01. November 2018


Iwan IV. Grosni

 

stirbt 1584 und hinterläßt ein geschwächtes russisches Reich. Er erklärte sich als erster zum Zaren (nach dem römischen Kaiser-Beinamen „Caesar“) und steht im Rang dem deutschen Kaiser gleich. Er wird vom Heiligen römischen Reich deutscher Nation und vom Königreich England anerkannt. Unter seiner Herrschaft beginnt die Eroberung Sibiriens, und er führt lange Kriege mit dem Großfürstentum Litauen und Livland (in dem die Reste des Deutschen Ordens sich festgesetzt haben), um für seine Reich einen Zugang zum Meer zu gewinnen.

 

Iwans Beiname „Grosni“ bedeutet „der Strenge“, der „Ehrfurchtgebietende“, wird aber in West- und Mitteleuropa zu „der Schreckliche“, bzw. „the terrible“ umgedeutet. Der Aufstieg des Russischen Reiches ist einigen Westlern wohl etwas unheimlich, und ähnlich wie heute verfällt man dann gern in Russophobie.

 

Iwan hinterläßt zwei Söhne, Fjodor und Dimitri, von den insgesamt acht Kinder überleben 5 das Kindesalter nicht, der sechste, der ebenfalls den Namen Iwan trägt, stirbt vorzeitig. Im Westen kolportiert man gern, daß Vater Iwan seinen Sohn Iwan totgeschlagen habe. Das wird von russischen Historikern heute aber stark angezweifelt. Vermutlich ist der junge Iwan einer Krankheit erlegen. Iwan der IV. war gewiß kein Tugendbold, aber nicht alle ihm zur Last gelegten Untaten entsprechen der Wahrheit.

 

Die letzten Rurikiden
(das Herrschergeschlecht)

 

sind nach Iwan IV. Tod die beiden Söhne Fjodor und Dimitri. Fjodor gelangt als älterer von beiden auf den Zarenthron und regiert bis 1598. Er ist jedoch schwachsinnig, und so hat Iwan noch zu Lebzeiten einen Kronrat aus fünf Bojaren (Fürsten) eingerichtet. In selbigem sitzen unter anderem ein Godunow, ein Schuisky und ein Romanow. Allen dreien begegnen wir im Verlauf der Wirren noch, denn sie werden nacheinander Zar. Des letzteren Familie bleibt bis 1917 auf dem Zarenthron.

 

Fjodor stirbt 1598, und weil er kinderlos bleibt, ist damit das Geschlecht der Rurikiden im Mannesstamm ausgestorben. Dimitri lebt schon seit dem Jahre 1591 nicht mehr, es heißt, er habe sich bei einem epileptischen Anfall selbst einen Dolch in den Hals gestoßen. Diese Version wird bei den russischen Gelehrten wie auch im Westen akzeptiert.

 

Kommen wir noch einmal auf Dimitri zurück: Da den Zeitgenossen das wahre Schicksal des jungen Mannes verborgen bleibt, kann ein anderer ein paar Jahre später als Dimitri in Erscheinung treten und behaupten, er sei der allerletzte Sohn von Iwan IV. und ihm gebühre der Thron.

 

Nach Fjodor besteigt Boris Godunow den Thron, doch seine Herrschaftszeit verläuft nicht eben glücklich, an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert (1601-1603) kommt es zu Hungernöten und großer Kälte auch im Sommer. Die Grundherren können ihre Untertanen nicht mehr unbedingt ernähren und verjagen viele von ihnen vom Hof. Das schafft noch mehr soziale Unruhen, und viele Zwangsvertriebene schließen sich zu Banden zusammen. Das Verhältnis zwischen Iwan und den Bojaren war nie spannungsfrei, denn die Fürsten fühlten sich von ihm unterdrückt und ihrer Privilegien beraubt. Als jetzt einer von ihnen auf den Thron gelangt, sind die anderen natürlich eifersüchtig. Zuletzt hat Iwan das Kriegsglück verlassen und das Land schon zu seiner Zeit ausgelaugt. Aber Godunows Schwester hat Fjodor geheiratet, und deswegen gilt Godunow als zumindest mit den Rurikiden verwandt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 










Dimitri I.

 

Da taucht wie aus dem Nichts ein Mann auf, der sich als Zarensohn Dimitri ausgibt und weiters behauptet, sich nicht selbst entleibt zu haben, sondern damals geflohen zu sein. Viel Volk ist bereit, ihm zu glauben, auch seine Version, daß Boris Godunow in jener Zeit vorgehabt habe, ihn beseitigen zu lassen. Die Stimmung wendet sich gegen den Zaren, und wie stets in solchen Fällen, mischen sich die verschiedensten Kräfte ein und hoffen, daß Dimitri für sie die Drecksarbeit erledigt, nämlich Godunow zu stürzen. Es sind dies vornehmlich die anderen Bojaren, die auf diese Weise die unliebsame Konkurrenz loswerden wollen, und der polnische König, dem angeblich der falsche Dimitri den Floh ins Ohr setzt, warum er nicht selbst auch noch russischer Zar werde (wohl eher ist der Pole aber schon vorher selbst auf den Gedanken gekommen). Kurzum, allerlei Volk, auch viele Kosaken, von denen damals viele unter polnischer Herrschaft leben, schließen sich dem „Falschen Dimitri“ an, und 1604 marschiert dieser mit seinen Truppen ins Russische Reich ein. Nach einigen Siegen, nach denen sein Heer unermeßlich anwächst, gelangt er schließlich nach Moskau, wo Boris Godunow inzwischen verstorben ist, und läßt sich Ende 1605 zum Zaren krönen. Doch bald wird er den hinter ihm stehenden Mächten lästig, und im Folgejahr wird Dimitri auf Betreiben Shuiskys ermordet. Der Bojar besteigt bald selbst den Thron. Doch aus dem Land der Don-Kosaken ist schon der nächste unterwegs, der allen weismachen will, er sei der echte Dimitri. Insgesamt reißen sich in den Zeiten der Wirren vier Männer um diese Ehre. Am wichtigsten unter ihnen der zweite Falsche Dimitri, mit dem wir uns noch gesondert auseinandersetzen werden.

 

Und nun in aller Kürze: irgendwann wird dem polnischen König die Zeit zu lang, und er marschiert ins russische Reich ein, um seinen Sohn auf den Zarenthron zu setzen (es erscheint ihm zu heikel, für sich selbst diesen Anspruch offen zu erheben, deswegen schiebt er seinen Sohn vor, den er, gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zufolge, später dann stürzen will, um doch noch selbst der russische Herrscher zu werden. Shuisky, der neue Zar ruft die Schweden ins Land, um sich der Polen erwehren, was die auch tun und sich das teuer bezahlen lassen. Die üblichen Verdächtigen, wie die Krim-Tataren, mischen auch immer mal wieder mit, und überhaupt balgen sich die Bojaren untereinander, mal im Namen des russischen Zaren. und mal im Namen des polnischen Thronanwärters. Erst 1618 kommt es zum Friedensschluß zwischen Polen und Russischem Reich. Wir werden uns weiterer Schlachten dieser für die Russen alptraumhaften Kriege widmen und zu gegebener Zeit die Hintergründe weiter erläutern.

 

 

Schlachtbericht

 

Kolyans Video zeigt „nur“ einen Ausschnitt aus der Schlacht vom 10. Und 11. Mai. Die russische Seite rückt mit 5 Polki und insgesamt 30 000 Mann an, die Polen können nur die Hälfte aufbieten. Das hört sich nach einem einfachen Sieg für die Russen an, aber der stellt sich nicht ein. Das russische Heer besteht in seiner Mehrzahl aus tatarischen Truppen und darüber hinaus aus dem letzten Aufgebot – Tagediebe, Taugenichtse und ähnlichems Gelichter. Weder die einen noch die anderen sind erpicht darauf, sich für den Zaren mit Waffenruhm zu bekleckern. Hinzu kommt, daß Shuiskys Sohn, der ebenfalls Dimitri heißt und vor allem durch seine Arroganz auffällig geworden ist, an der Spitze der russischen Truppen steht. Diese Anmerkung erfolgt nur, um aufzuzeigen, wie erschöpft beide Seiten sind und sich auf ausländische Truppen stützen müssen.

 

Die Schlacht beginnt mit dem Angriff der polnischen Vorhut, die sich aus Husaren und Kosaken zusammensetzt (hier sind nicht gebürtige Kosaken gemeint, sondern Mitglieder der polnischen Waffengattung „Kosaken“, die allerdings so wie Kosaken gekleidet sind; mehr dazu im nächsten Taktik-Teil). Beide sind in Hundertschaften unterteilt (ca. Kosaken zu Husaren 2:1). Der Angriff wird erfolgreich vom Angriff des russischen Avantgarde-Regimentes abgewehrt, das durch gemietete „deutsche“ Kompanien (sie können aus sonstwo in West- oder Mitteleuropa stammen und sind westlich gekleidet und bewaffnet).

 

Der Neffe des Oberbefehlshabers des II. Falschen Dimitri in Tuschino führt den Husaren sofort Verstärkung zu, die die russische Avantgarde in die Flucht schlägt. Da schicken die Russen das Wach-Polki in Stellung, das wiederum die Polen zum Stehen bringt, und darüber vergeht der erste Tag.

 

(Video) Der zweite Tag beginnt schon im Morgengrauen mit den Angriffen der Kosaken-Infanterie (diesmal die echten Kosaken), die aber gegen die „Wandernde Stadt“ nicht durchkommen, in welche die Russen inzwischen ihr Großes Regiment mit der Artillerie gelegt haben. Da taucht ein Verräter bei den Polen auf und berichtet ihnen, wie es um die russischen Truppen bestellt ist und daß keiner für den Zaren Shuisky kämpfen wolle. Darum schieben die Polen ihre Reserven an die linke Flanke der Russen. Der Befehlshaber gibt ihnen Wagen und andere Bagage mit, um die Russen zu täuschen. Sie glauben daraufhin tatsächlich, daß das gesamte Heer des Falschn Dimitri hier versammelt sei (immerhin 27 000 Mann). Die Polen brechen in die Wandernde Stadt ein, und die Russen ziehen sich voller Furcht daraus zurück. Dennoch dauern die Kämpfe weiter an (hier endet das Video).

 

Der Zarensohn Dmitri glaubt, mit seinen Truppen nicht länger standhalten zu können und setzt sich vom Schlachtfeld ab, die anderen Truppen erkennen seine Flucht und geben ebenfalls Fersengeld.

 

Nach diesem Sieg fühlt sich der zweite falsche Dimitri in der Lage, Moskau selbst anzugreifen, muß dort aber erkennen, daß der befestigten Stadt ohne Artillerie oder sonstiges Belagerungsgerät nicht beizukommen ist. Seine Gönner versprechen ihm zwar beides, aber nichts davon trifft bei ihm ein.

 


Zuzutrauen wäre es uns ja,

daß wir wieder einmal gepennt haben, aber wir konnten kein zweifelsfreies Datum finden. Die einen legen die Schlacht ins Jahr 1608, die anderen schwören auf 1609. Im Zweifel für den Autor haben wir uns für letzteres entschieden, so wie Kolyan.

Bilderquelle:
https://historiosophy.ru/1606-g-lzhedmitrij-i-samozvanec-ubit-v-rezultate-vosstaniya-moskvichej/

 

 

In der nächsten Folge

wenden wir uns zum vorläufig letzten Male dem großen Türkenkriege zu (es kommt ja leider wenig nach, MARS versucht sich in anderen Epochen, lediglich Orion bringt türkische irreguläre Reiterei auf den Markt, die „Delis“). Also, nächstes Mal eine Einführung in die Schlacht bei Zenta, 1697.