Kriege in Osteuropa

Schlachten
Belagerung von Narwa 1558
Schlachtbericht


Mittwoch, 20. Februar 2019

Bild links: Schützen

 

 

Als die Botschafter Livlands in Moskau angelangt sind, kommt es zu Gefechten zwischen den Garnisonen von Narwa und dem russischen Iwangorod. Russischen Quellen zufolge beginnt Narwa auf Iwangorod zu schießen. Da zu dieser Zeit ein vorübergehender Waffenstillstand zwischen Livland und Moskau geschlossen worden ist, wagen es die Woiwoden (Befehlshaber) von Iwangorod nicht, ohne Rücksprache das Feuer auf Narwa zu erwidern, und schicken einen Boten an den russischen König, „um Erlaubnis zu bitten“. Die Gelehrten sind sich nicht einig, warum Narwa seine Kanonen sprechen läßt. Während die einen dahinter den Willen der Deutschen sehen, den Krieg nicht verloren zu geben, vermuten andere dahinter eine Panne. Aber wenn die ersten Kugeln geflogen sind, kommt man meist kaum ungeschoren aus der Sache hinaus.

 

Die Entfernung zwischen den befestigten Städten beträgt weniger als zwei Kilometer. Dies ermöglicht es der deutschen Garnison unter dem Ritter Focht Schnellenberg, die mehr als 200 Kanonen in ihrer Festung stehen haben, das Feuer auf Iwangorod nicht nur zu eröffnen, sondern auch dauerhaft zu unterhalten, was zu einem langen Artillerie-Duell führt.

 

Der Zar schickt Verstärkungen nach Iwangorod mit Belagerung-Artillerie, die von Generälen Adaschew, Iwan Buturlin und Basmanow angeführt werden, und befiehlt, "von überall her" auf Narwa zu schießen. Die Armee versammelt sich in Iwangorod am Ufer des Flusses vor der Stadt Narwa.

 

Bild links: Kriegsmannen

 

 

Narwa erträgt den Dauerbeschuß aus den russischen Belagerungsgeschützen noch keine Woche. Dann erklären die Bürger, sich unterwerfen zu wollen, stellen Geiseln und schicken eine neue Gesandtschaft nach Moskau. Aber sie schicken noch weitere Boten aus, allerdings an den Hochmeister des Deutschen Ordens.

 

Die Einwohner Narwas erklären ihre Unterwerfung, schicken Geiseln und senden eine Gesandschaft nach Moskau. Man erklärt den Diplomaten, daß sie ihren Militär-Befehlshaber ausliefern, sich dem Zaren unterwerfen und ihre Stadt den Nowgoroder (die nächstgelegene größere russische Stadt) Woiwoden übergeben müssen. Die Gesandten nehmen an und erklären für die ganze Provinz Narwa dem Zaren den Treueid. Als aber die Nowgoroder Woiwoden dies in Narwa bekanntmachen lassen, verwerfen die Einwohner dies, weil sie inzwischen Hilfe vom Hochmeister des Deutschen Ordens zugesagt bekommen haben.

 

Bild links: Stab- und Halblanzenträger

 

 

Von Fellin (Viljandi) und Reval (Tallinn) aus werden Truppen unter der Leitung von Johann Ketler (dem zukünftigen Meister des Ordens) und Franz von Segenhaven nach Narwa geschickt. Die Russen haben eine Wachabteilung auf der Straße von Reval aufgestellt und sehen die Verstärkung frühzeitig kommen. Die Deutschen bemerken die kleine russische Abteilung an der Kreuzung und lassen den Wagenzug und die Artillerie in die Stadt weiterfahren, während sie sich selbst an die Verfolgung der Feinde machen. Die russischen Wachen ziehen sich hastig in den Fluß Narewa zurück und eilen auf die andere Seite. Iwangorod schickt Verstärkungen, um ihnen beizustehen. In einem kurzen Gefecht mit den überlegenen Kräften des Feindes gelingt es den Russen, die Oberhand zu gewinnen, und die Deutschen machen rasch kehrt. Ketlers Verstärkung trifft somit nur teilweise in Narwa ein, der Rest lagert in der Nähe der Stadt.

 

Und so geht es weiter. Die Russen sperren alle Straßen nach Narwa, und den Einwohnern gehen die Vorräte aus. Aber niemand sendet ihnen noch Hilfe. Doch die Russen verwüsten diesmal nicht das Umland, was vor allem besagt, daß sie an einer dauerhaften Eroberung der Stadt interessiert sind und nicht lediglich daran, die Einwohner einschüchtern zu wollen. Es kommt zu weiteren kleineren und größeren Gefechten.

 

Bild links: Russische Artillerie

 

 

Da bricht am 11. Mai in Narwa ein Feuer aus, und das ändert die Lage völlig: Während sich der Brand durch die Straßen der Unterstadt ausbreitet, stürmen viele Bürger in die Oberstadt (Burg Wyschgorod). Zur gleichen Zeit kommen die Söldner aus der Burg und besetzten die verwundbarsten Stellen. Nach dem Glauben jener Zeit, ist die Feuersbrunst darauf zurückzuführen, daß betrunkene Livländer eine orthodoxe Ikone der Jungfrau Maria ins Feuer geworfen haben (die natürlich "auf wundersame Weise" nicht verbrannt ist).

 

Als die russischen Kriegsmannen in Iwangorod die allgemeine Verwirrung in Narwa entdecken, steigen sie in Boote und rudern auf die andere Seite. Viele Menschen kreuzen das Wasser auf Flößen, sogar auf Baumstämmen und Brettern. Durch die fehlende Bewachung – da die meisten Verteidiger beim Löschen des Brandes sind -, öffnet die russische Vorhut innerhalb weniger Minuten zwei Tore (das Russische und das Koljwanskj). In den Straßen, in Feuer und Rauch eingehüllt, kommt es zur blutigen Schlacht. "Furloss, Furloss!“ (Feurio! Feurio!) schreien die Bewohner, eilen aber nicht zum Löschen, sondern rennen in die Burg. Und diejenigen, die nicht rechtzeitig durchkommen, kauern sich in den Burggraben, der Unter- von Oberstadt trennt. Inzwischen sammeln die Söldner sich auf dem Marktplatz, stellen sich in Schlachtordnung auf und besetzen die verbliebenen Tore. Doch das Feuer treibt sie bald in die Burg zurück. Die Verteidiger können sich nicht lange halten. Trotz des verzweifelten Widerstands der Deutschen fällt die Unterstadt ziemlich schnell.

 

Das Angebot, sich der Gnade des Souveräns zu ergeben, wird von den Bürgern abgelehnt, und der Angriff läßt nicht lange auf sich warten. Die Russen richten die Kanonen der Söldner auf die Burg und bieten den Livländern erneut die Kapitulation an. Das aber lehnen die Livländer in der Oberstadt ab. Die Russen nutzen den Brand und arbeitwn sich immer weiter vor. Zur gleichen Zeit stoßen die Bojarensöhne (Reiterei) und Strelitzen (Schützen) hinzu. Die Russen treffen vor der Unterstadt auf keinen weiteren Widerstand und erstürmen die Tore. Die wenigen Söldner, die sich dort noch befinden, können dem Druck nicht lange widerstehen und fliehen, ohne noch Gelegenheit zu finden, ihre Kanonen mitzunehmen. Die Russen nehmen diese Geschütze sofort in Besitz, auch die auf den Stadtmauern, und beschießen daraus die Livländer in der Oberstadt. Zum Unglück der letzteren wird eine der ihnen verbliebenen Kanonen gleich von einer der ersten Kugeln zerrissen und eine zweite heruntergeschossen.

 

Bild links: Russische Artillerie

 

 

Die Belagerten erkennen nun die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage und werden zugänglicher. Aber die Lage ist sehr ernst, und die Belagerten kommen zur Beratung zusammen. Zuerst stellen sie fest, wie viele Vorräte sie noch haben. Es gibt nur noch drei Fässer Bier, etwas Roggenmehl und Brot sowie Schmalz und Speck. Schießpulver ist so knapp geworden, daß es nur noch für eine halbe Stunde Feuern reicht. Unter solchen Umständen ist weiterer Widerstand sinnlos. „Die Russen haben bereits die Unterstadt erobert, und zwischen der Unter- und der Oberstadt befindet sich nur eine halb zusammengeschossene Mauer. Von ihr können wir das Feuer nicht mehr erwidern. Davon abgesehen können die Frauen und Kinder nicht in die Burg. Einige hundert von ihnen haben sich im Burggraben versteckt. Die Hoffnung auf Entsatz durch die Ritter war vergeblich, und dem Land nutzt es wenig, wenn die Verteidiger Narwas gefallen sind.“ Am Abend ergibt sich die Garnison unter der Bedingung eines freien Abzugs aller Bewohner aus der Stadt.

 

Viele Ritter mit ihren Familien (einschließlich Schnellenberg) und einige Söldner ziehen ab. Alle anderen Bewohner bleiben und schwören dem Zaren Iwan IV die Treue.

 

Narwa ist die erste große Festung des Livländischen Krieges, die den Russen in die Hände fällt. Rußland erhält einen günstigen Seehafen, durch den direkte Beziehungen zu Westeuropa möglich werden. 230 Kanonen und "großer Reichtum" fallen den Russen in die Hände. Zar Iwan feiert in Moskau pompös die Einnahme von Narwa; belohnt großzügig den General und die Krieger, die die Stadt erobert haben; bestätigt die an Krumhausen und von Deden (die Gesandten) ausgestellte Urkunde und ordnet die Freilassung aller Narwa-Gefangenen an.

 

In der nächsten Folge stellen wir einige der Kämpfe um Narwa nach.