Mittwoch, 13. März 2019

Bild oben: Schlachtszene eines unbekannten Meisters

 

 

Begriffsklärungen

 

Der Staat, der heute als Ukraine bekannt ist, heißt noch nicht lange so, und zu der Zeit, in der unsere heutige Schlacht stattfand, dachte noch niemand an so etwas wie eine Ukraine. Damals nannte man das Land „Wildes Feld“, und das bezog sich sowohl darauf, daß es fast nur aus Steppe bestand, als auch, daß dort kaum jemand wohnte. Vorher einmal war das Wilde Land Teil des Gebietes der „Goldenen Horde“ gewesen, aber mit deren Machtverfall zogen sich die Mongolen und danach die Tataren immer weiter daraus zurück. Dafür sickerten dann Flüchtlinge aus Polen-Litauen und aus Rußland dort ein – man darf sich das durchaus als so ähnlich wie den Wilden Westen vorstellen, nur ohne Colts (und die ungeordneten Gebiete hießen auch noch nicht USA). Daß man das in gewissen Kreisen heute auch rückwirkend „Ukraine“ nennt, hat mit ideologischen Gründen (der neue Kalte Krieg) zu tun. Wir schließen uns dem nicht an.

 

In englischsprachigen und den deutschen Quellen, die bedingungslos ersteren folgen, wird Rußland auch für die Mitte des 17. Jahrhunderts immer noch als „Großfürstentum Moskau“ oder Ableitungen desselben betitelt (bis hin zu abenteuerlichen Sprachverdrehungen wie „Muskowien“), und das ist natürlich samt und sonders Unfug. Seit 1547 Iwan IV. sich zum Zaren krönt, heißt das Staatsgebilde Rußland, punktum.

Der Große Kosakenaufstand

 

Man nennt die Bewohner des Wilden Feldes Kosaken, und die breiten sich immer mehr in allen Grenzregionen aus am Don, in Sibirien, später im Kaukasus und so weiter und so fort. Wir beschäftigen uns hier aber nur mit den Kosaken östlich des Dnjepr. Von denen stehen einige in polnischen Diensten, die sogenannten registrierten oder Dienstkosaken, und sind meist als Soldaten tätig. Die Anzahl der Dienstkosaken ist auf ein paar Tausend beschränkt, und die polnischen Herrscher weigern sich auch strikt, mehr einzustellen, trotz vielfältiger Bitten der Kosaken. Aus den Übrigen ragen vor allem die Saporoger Kosaken hervor, völlig freie und unabhängige Menschen, deren „Hauptstadt“, der Sitch oder Sich, auf einer Insel im Dnjepr liegt. Die Saporoger sind auch die Stütze des Aufstandes.

 

Polen-Litauen erklärt sich zum Beherrscher des Weiten Feldes, und das bedeutet zunächst einmal – nichts. Doch dann dehnen sich die Großgrundbesitzer immer tiefer in das Gebiet aus und behandeln ihre Untertanen dort schlechter als Sklaven. So gebietet allein der Magnat Stanislav Konetspolsky vor dem Aufstand über 170 Kleinstädte und 740 Dörfer. Hinzu kommt, daß die Kosaken überwiegend dem orthodoxen Glauben anhängen, während die Polen katholischen Glaubens sind. Die orthodoxen Gemeinden werden von den Machthabern unterdrückt, Anhänger der Ostkirche dürfen nicht einmal mehr auf mittlerer Verwaltungsebene tätig werden. Hinzu kommt eine weitere Eigenart: die polnischen Adligen setzen Juden als Verwalter und andere ausführende Organe ein, und diese gehen ebenfalls mit den Kosaken nicht gerade zimperlich um. Und so ist zu erklären, daß den vielen Massakern auch immer wieder Juden zum Opfer fallen.

 

Der große Kosakenaufstand ist nicht der erste, aber der größte und erfolgreichste seiner Art. 1625, 1630, 1635, 1637 und 1638 kommt es ebenfalls zum Aufruhr. Alle diese Erhebungen enden durch Verrat.

 

Bild links: Weißer Adler auf rotem Grund = Polen, Gelbe Figur auf blauem Grund = Kosaken, hellblau = Tataren

Boris Chmielnietzky

 

Einem kosakischen Großbauern mit Namen Boris Chmielnietzky wird der Hof überfallen und sein Landverwüstet. Sein zehnjähriger Sohn wird dabei ermordet (nach anderen Berichten wird ihm jeder einzelne Knochen im Leib gebrochen), man entführt seine Frau und sein bestes Pferd. Das Ganze ist einer Laune eines der polnischen Magnaten entsprungen. Boris sucht an polnischen Gerichten Gerechtigkeit, muß sich dort aber sagen lassen, daß er weder ordnungsgemäß verheiratet sei noch ausreichend belegen könne, daß der Besitz ihm gehöre. Boris wendet sich an den Magnaten, der ihm das alles angetan hat, aber der läßt ihn als Unruhestifter einsperren. Und so ergeht es ihm überall, bis er sich an den Sitch wendet. Unterwegs schließen sich ihm einige Jäger an, und mit diesen gelangt er in den Hauptort der unabhängigen Kosaken.

 

Truppenstärke

 

Im Sitch wird Boris zum Hetman („Hauptmann“, in diesem Fall eher General gewählt), und als deutlich wird, daß er einen neuen Aufstand beabsichtigt, strömen ihm immer neue Scharen von Bewohnern der „Wilden Felds“ zu – und auch aus den Gebiete jenseits davon. Doch seine Armee leidet an zwei Schwächen, die Neuen sind militärisch nicht ausgebildet, und so läßt er ihnen von Altgedienten Unterricht im Fechten, Schießen und in Taktik und Manövrieren erteilen. Freiwillige erhalten eine zusätzliche Nahkampfausbildung. Als zweites steht er vor dem Problem, über viel zu wenige Reiter zu verfügen, und das angesichts einer Armee wie der polnischen, die mehrheitlich aus Kavallerie besteht (auf 2 Reiter kommt 1 Fußsoldat). In seiner Not wendet sich Boris an die Krim-Tataren, und deren Khan verbündet sich tatsächlich mit ihm und sendet ihm einige tausend Reiter. Bereits im Februar 1648 müssen die Polen erkennen, daß die Boris-Propaganda auch den hintersten Winkel des Wilden Feldes erreicht hat. Kron-Hetmann Nikolai Pototsky (Oberbefehlshaber der polnischen Armee, die Litauer haben einen eigenen Hetmann) sammelt Truppen und bricht zu einer Strafexpedition gegen die Empörer auf. In seiner Armee kämpfen Registerkosaken und „deutsche“ Truppen (nach europäischem Vorbild ausgerüstete und ausgebildete Soldaten, aber auch Söldner-Verbände) neben der Elitetruppe, den Husaren, und der Linien-Reiterei (oder besser, deren Vorläuferin) und den Dragonern. Hier die wichtigsten: 4500 Husaren, Dragoner und Linien-Reiterei, 7000 Kürassiere und Söldner-Reiterei, 11000 Musketiere (von Pikenieren ist nirgends die Rede) und lediglich 6-10 leichte Geschütze (die mangelnde Artillerie ist die Schwachstelle der Polen). Am Gelben Wasser langen davon 5000 Mann an. Die Kosaken bringen 6000 Fußkämpfer und 3000 Tataren zusammen.

 

Wir haben das Video in einem anderen Zusammenhang schon einmal präsentiert, bringen es aber gern wieder, weil man hier so viel über die Kampfweise der kosakischen Fußtruppen sehen kann.

Ausschnitte aus demselben Film, aber nicht nur dieselben.

 

In der nächsten Folge

 

gibt es den Schlachtbericht zur ersten großen Schlacht im Kosakenaufstand des Boris Chmielnietzky, der an den Gelben Wassern.