Kriege in Osteuropa

  • Taktik
    • Osmanische Taktiken, Teil 2

Dienstag, 16. Februar 2016
TAKTIK


Das osmanische Heer pflegt die Verteidigungsstellung, bedient sich ihrer aber nicht ausschließlich. Ist der Gegner nahe genug heran, gehen die Türken zum Gegenangriff über, ebenso, wenn eine belagerte Stadt sturmreif geschossen ist. Seit dem 17. Jahrhundert wird das türkische Fußvolk immer mehr mit Gewehren bewaffnet, und von da an unternimmt man gern auch mal den ersten Schritt. Kurz zusammengefaßt läßt man den Gegner gern nahe genug herankommen, lockt ihn in eine Falle und stürzt sich dann auf ihn. Die Osmanen sind Nachfahren eines zentralasiatischen Reitervolkes, und dessen Kampfweise lebt noch Jahrhunderte in vielfältiger Weise fort. Davon abgesehen ist die Rechnung oft genug für die Türken aufgegangen.

Damit wir uns ein noch präziseres Bild von dieser Taktik machen können, schauen wir in dem Buch „Die Janitscharen“ von Gerhard Schweizer nach (Wien, München 1984), der auf den Seiten 144 und 145 die Schlacht bei Tschaldiran (1514 in Ost-Anatolien) beschreibt, wo sich den Osmanen die persischen Streitkräfte entgegenstellen. Schweizer beläßt es bei der Aussage, daß beide Heere in etwa gleich stark sind und hält sich aus der Debatte heraus, in den unterschiedlichen Quellen schwanken die Zahlen der einzelnen Armeen von 15 000 bis 115 000. Wir fügen einige Passagen in kursiv ein, die für das Verständnis der Schlachtbeschreibung wichtig sind. Der Autor scheint sich auch hier nicht festlegen zu wollen, weil die Angaben auch hier erheblich voneinander abweichen (ein Beispiel, bei dem einen heißt es, die Osmanen hätten nur leichte Kanonen auf Karren gehabt, beim anderen, die schwere Artillerie der Osmanen habe den Ausschlag gegeben).

Bild oben: Die Belagerung von Rhodos aus der "Süleymanname", einer Sammlung von Miniaturen über die Taten des Sultans Suleiman (Süleyman) I.
Beachte links die schießenden Janitscharen, beachte die Janitscharen-Bogenschützen (der Übergang vom Bogen zur Muskete war also noch nicht abgeschlossen), beachte links unten die Mineure, die Stollen unter die Stadtmauern graben, und beachte vor allem die Janitscharen mit Schild und Speeren, bzw. Blankwaffen. Wir gestehen hier freimütig ein, bislang ebenfalls der Falschmeldung aufgesessen zu sein, die Janitscharen seien ein reines Schützen-Korps gewesen, das höchstens einmal mit dem Säbel gekämpft habe. - Auf der rechten Seite sieht man, von oben nach unten: Sipahi-Kavallerie, den Sultan selbst, seine Leibwache (mit Axt) und vor dem Sultan zwei Peik, Läufer oder laufende Boten; wer denkt da nicht an den Läufer im Märchen "Der kleine Muck", gegen den selbiger zum Wettrennen antreten muß?

 

Quelle: http://www.warfare.altervista.org/Ottoman/Suleymanname/1522-Siege_of_Rhodes-2.htm

 

Bild rechts: Schlacht bei Tschaldiran in einer zeitgenössischen türkischen Darstellung (Künstler unbekannt). Auf der rechten Seite unten die Janitscharen mit Stangenwaffen (womit auch die Behauptung widerlegt sein dürfte, daß die Janitscharen Hieb- und Stichwaffen nur beim Sturm auf belagerte Städte eingesetzt hätten). Darüber die Sipahi, die nur zum Teil Kettenhemd zu tragen scheinen (im Orient war es üblich, über dem Metall Oberbekleidung zu tragen, der Sonnenhitze wegen). - Auf der linken Seite die persische Panzerreiterei. Wem fällt noch auf, daß einige der Perser genauso aussehen wie die Ritter vom Johanniter-Orden, die Rhodos verteidigen?

Quelle:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sekumname1525_Chaldiran_battle.jpg

 

Die Perser haben ein Plus an Panzerreitern, die Türken haben Kanonen und Gewehre. Wir erfahren über das sich zur Schlacht aufstellende türkische Heer: „An der Sitze … zogen Reiter mit roten Fahnen aus dem Sandschak (Provinz) Nikopolis … andere mit grünen Fahren aus dem Sandschak Karaman … Hinter diesen die rot gekleideten Azabis (Provinz-Infanterie), mit Bögen und Säbeln bewaffnet … (dahinter) weitere Reiterscharen mit Fahnen mit goldenen Knöpfen … Abermals Fußvolk“ in blau „mit rotgelb gestreiften Fahnen (die Janitscharen) … und wieder Reiter (jetzt mit) gelben Standarten (die Palast-Kavallerie) … in der Mitte zwei große Fahnen, die erste blutrot, die andere weiß, hier nahte der Sultan (Selim I.) … „

 

        Damit gleich weiter zur Schlachtordnung: Auf dem linken Flügel stellt sich die Provinz-Reiterei von Anadolu (Anatolien, der türkische Teil des Reiches), auf dem rechten Flügel die Provinz-Reiterei aus Rumelien (die europäischen Provinzen des Reiches) auf.

Im Zentrum stehen vorn die Azabis, ausgehobene Bauern aus den Provinzen mit ihren traditionellen Waffen Schwert, Speer, Axt und einigen Bögen. Sie sollen die gegnerische Kavallerie anlocken und scheinbar vor ihr zurückweichen, bis die osmanische Front zurückgebogen wie eine Mondsichel ist. Der Gegner verzettelt sich in den Kämpfen mit den Azabis, die türkische Reiterei an den Flanken fällt dem Gegner in die Seite und drängt ihn gegen das eigentliche Zentrum.

 

 

Bild links: Persische Miniatur der Schlacht von Tschaldiran von einem unbekannten zeitgenössischen Künstler. Man sieht den persischen Schah (rechts in Weiß), wie er höchstpersönlich einen osmanischen General ins Jenseits befördert.

Quelle:
https://commons.wikimedia ...

 

Nun wieder aus aus dem Buch. Im eigentlichen Zentrum „sammelte sich das Bollwerk des Heeres, die Janitscharen“, (und noch dahinter) „blieb der Sultan mit seiner Leibwache (Palast-Reiterei) … „


Im Zentrum sieht es so aus: Hinter einem Wall aus Karren – keine Wagenburg – stehen die Janitscharen und die Kanonen in Deckung. Die Geschütze sind etwas erhöht in Stellung gegangen, um bequem über die knienden Schützen hinwegfeuern zu können.


Die Perser wollen sich nicht in die Falle locken lassen und der türkischen Artillerie kein leichtes Ziel bieten. Deshalb greifen sie mit ihrer Panzerreiterei statt des Zentrums die türkischen Flanken an. Aber die Janitscharen und die Kanonen sind wendig genug, sich jetzt in Richtung der Perser zu drehen.


Wieder Schweizer: „Die Janitscharen knieten gestaffelt in Reih und Glied und feuerten ihre Flinten an. Während sie nachluden, donnerten die Kanonen, dann knatterte (während die Kanonen wieder geladen werden) wieder das Gewehrfeuer … Sechsmal luden die Janitscharen nach, und als die siebte Salve verklungen war, bedeckten tausende … toter und verwundetr Pferde und Reiter die Ebene … Und jetzt warfen die Janitscharen ihre Flinten beiseite, zogen ihre Krummsäbel und stürzten den Fliehenden nach (wohl eher: machten sich über die Reste her, denn wie kann ein Fußsoldat jemals hoffen, einen fliehenden Reiter einzuholen?).

 

Wir befinden uns im 16. Jahrhundert, und das Osmanische Reich steht auf dem Höhepunkt seiner Macht. Hier, 1514 bei Tschaldiran, versetzen sie den Persern einen Schlag, von dem diese sich so bald nicht wieder erholen sollen. Nur wenige Jahre später, nämlich 1526 bei Mohacs, vernichten die Osmanen das ungarische Heer und dessen Verbündete; und das mit einer Taktik, die sich nicht wesentlich von der eben gelesenen unterscheidet. Und 1529 stehen sie vor Wien.

 

Sehen wir uns das Ganze etwas genauer an. Wie wir beim Aufmarsch gelernt haben, scheidet sich das türkische Heer in zwei Teile, stehendes Heer oder Palasttruppen und Provinz-Aufgebote. Diese wiederum in Reiterei und Fußvolk, und damit könnte man es beinahe belassen, wenn es nicht die unzähligen Fein-, Besonder- und Eigenheiten gäbe. Beginnen wir ganz oben, bei der Palast-Kavallerie. Wie bedienen uns dazu einer ganz vorzüglichen Quelle, der Seite von Uwe Becker (http://www.osmanischesreich.de/), bei der alles stimmt, bis auf zwei Frust-Erlebnisse: Becker ist bei den Fachbegriffen nicht einheitlich, in der Regel beläßt er es bei der türkischen Schreibweise und deutscht nicht ein (so wie wir hier gerne), manchmal transkribiert er aber auch in der englischen Schreibweise, und das ist für die Lesbarkeit schon ein wenig mühselig. Zum anderen hört er bei der Auflistung der Provinz-Fußverbände einfach mittendrin auf! Wir hoffen dringend, daß er eines Tages die Zeit findet, diese verdienstvolle Arbeit wieder aufzunehmen.

 

 

Bild links: Türkischer Reiter fängt einen Gegner mit dem Lasso, eine Miniatur ebenfalls aus der "Süleymanname".

Quelle:

http://www.warfare...org...

 

 

PALAST-REITEREI

 

Mitte des 15. Jahrhunderts etablieren sich die osmanischen Waffengattungen und Verbände so, wie wir sie Jahrzehnte später erleben. Der oberste Herrscher des Landes, der Sultan hat seine Residenz im 1453 eroberten Byzanz errichtet, das seitdem Istanbul heißt. Rund um seinen Palast werden unterschiedliche Truppen in Kasernen untergebracht. Sie verbleiben dort, solange sie nicht ins Feld ziehen, und erhalten regelmäßig Sold; sie stehen dem Sultan jederzeit zur Verfügung, und man spricht in solchen Fällen von einem stehenden Heer – im Gegensatz zum Aufgebot, das heißt, von Truppen, die nur in Kriegs- oder Krisenzeiten vom Statthalter zusammengetrommelt, also „aufgeboten“ werden; man spricht in solchen Fällen vom Aufgebot. Wir nennen die einen fortan aber Palasttruppen, die anderen Provinztruppen. Die Kavallerie besteht zu Zeiten von Suleiman I. aus 10 000 Reitern (alle kaserniert), und die dienen in insgesamt 6 Regimentern, türkisch: Bolük. Die Bolük umfassen im Normalfall 1000 Mann und unterteilen sich in Kompanien oder Schwadronen, türkisch Orta(s) zu 60 bis 100 Mann.

 

 

Bild links: Hier zeigt uns die "Süleymanname" einen Akindschi (Akinci) oder Deli (beide türkische Provinz-Reiterei).

Quelle: http://www.warfare.altervista.org/Ottoman/Suleymanname/1540-Akinci_or_Deli-Suleymanname.htm

 Garderegiment Sipahi („Burschen“) untersteht im Kriegsfall dem Sipahalar Aga (Burschen-Hauptmann), führte eine rote dreieckige Fahne und besteht aus 2000 (zu Zeiten Suleimans I.) bis 7 800 Mann (Anfang des 17. Jahrhunderts). Sie stehen in der Schlacht ganz hinten an der rechten Seite des Oberbefehlshabers.

Garderegiment Silahdare („Waffenträger“) untersteht im Kriegsfall dem Silihdar Aga, führt eine gelbe Dreiecksfahne, trägt rote Mützen und besteht aus 1500 (Suleiman I.) bis 6000 Mann (Anfang 17. Jahrd.). Sie stehen in der Schlacht ganz hinten an der linken Seite des Oberbefehlshabers. Zu den Aufgaben dieses Regiments gehört es auch, die Roßschweife (das Feldzeichen) des jeweiligen Oberbefehlshabers (entweder der Sultan oder sein Großwesir) zu halten und zu bewachen.

Garderegiment Ulufeciyani Jemin/Ulufedschijani Jemin („Söldner des rechten Flügels“) steht neben den Sipahi und bewacht die Kriegskasse (die oft vor dem Sultan und seinen Garderegimentern steht). Das Regiment führt eine grüne Dreiecksfahne. Seine Stärke liegt zwischen 500 (Suleiman I.) und 2000 Reitern (17.Jahrd.) Zu seinen Aufgaben gehören auch der Polizeidienst und die Bedeckung hoher Würdenträger.

 Garderegiment Ulufeciyani Jessari/Ulufedschijani Jessari („Söldner des linken Flügels“) steht neben den Silahdare und bewacht die Kriegskasse. Das Regiment führt eine grünweiß gestreifte Dreiecksfahne und hat eine Stärle zwischen 500 und 1500 Mann (Suleiman/17. Jahrd.) Zu seinen Aufgaben gehören auch der Polizeidienst und die Bedeckung hoher Würdenträger.

Garderegiment Gurebai Jemin („Fremdlinge des rechten Flügels“) besteht aus arabischen und persischen Freiwilligen und Kriegsgefangenen und steht neben den Ulufedschijani Jemin. Seine Stärke beträgt 200 – 1500 Reiter (SuleimanI./17.Jahrd.), und seine Hauptaufgabe besteht in der Bewachung der heiligen Fahne.

Garderegiment Gurebai Jessari („Fremdlinge des linken Flügels“) mit einer Stärke von 200 – 2000 Mann (Suleiman I./17. Jhrd.) und steht neben den Ulufedschijani Jessari, ansonsten wie oben.