Spät-Renaissance, 1470 - 1560

  • Taktik

 

Samstag, 24. Mai 2015

Diesmal lassen wir uns inspirieren von Georg Ortenburg, Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte, Koblenz 1984, ISBN 3-7637-5461 - ein überaus empfehlenswertes Werk und Auftakt einer Taktik-Reihe.


LANDSKNECHTS-TAKTIKEN
Kriegführung in der I. Hälfte des 16. Jahrhunderts

 

Foto links: Landsknechte mit Kurzwaffen-Kranz

Landsknechte

Von den Schweizern stammt die Neuerung, Fußsoldaten (mit Piken und Hellebarden) in dichten Haufen (Gewalthaufen) zusammenzustellen und durch ihre schiere, geschlossene Masse (bis zu 10 000 Mann – 100 x 100) jeden Feind zu überrennen. Dabei verzichten sie weitgehend auf schwere Reiterei und Schützen. Auch ihr Artilleriepark ist eher klein. – Im 16. Jahrhundert reift in Oberdeutschland, das damals noch in großen Teilen zu Habsburg gehört, die Erkenntnis, Langwaffen (Spieße und Hellebarden) mit Nahkampfwaffen zu mischen und das Ganze unter den Schutz der immer weiter verbesserten Feuerwaffen und Kanonen zu stellen. Von Oberdeutschland greift diese Entwicklung auf das ebenfalls habsburgische Spanien über (in der Folgezeit entstehen daraus die Tercios, die dann für über 100 Jahre die Schlachtfelder bestimmen sollen). Diese deutschen Fußsoldaten heißen Landsknechte und verbessern die Schweizerische Taktik in mehrfacher Hinsicht: die Piken, bei den Schweizern noch eine Waffe unter vielen, stellt nun die Mehrzahl der Stangenwaffen; zwischen die Reihen der Stangenwaffen schieben sich solche mit „Kurzwaffen“ (Bidenhander, Hellebarde u.ä. unter ihnen befinden sich auch die Fahnenträger).



Foto links: Pikenier-Block mit Kurzwaffen-Kranz

Gegen Infanterie

Gegen Infanterie packt man den Spieß in Schulterhöhe und etwa im 90-Grad-Winkel vom Körper. Während die Schweizer ihren Spieß zwischen zweitem und dritten Drittel halten und damit nur die vierte Reihe über die erste hinausragt, packen die Landknechte ihre Pike ganz am hinteren Ende, womit auch noch die sechste Reihe über die erste hinausragt. Der Vorteil liegt auf der Hand, die Schweizer blieben aber bei ihrer Taktik, weil sich die Waffe mit dem verkürzten Schwerpunkt besser manövrieren läßt, auf diese Weise kann man mit einer Pike einfache Fechtbewegungen ausführen. Zwischen den Spießer-Reihen steheSobald die Pikenierreihen aufeinandergeprallt sind und es zu einem Gerangel nicht unähnlich dem „American Football“ kommt, huschen die Kurzwaffenträger unter den Stangen hindurch und machen den Spießträgern das Leben schwer. Die fünfte und sechste Pikenreihe kann so bequem aufschließen – mit den oben beschriebenen Folgen.



Foto links: Pikenier-Reihen mit vorgeschobener Kurzwaffen-Reihe

ie ersten Reihen der Pikeniere werden zudem von gepanzerten Soldaten gestellt. Dabei handelt es sich um abgestiegene Ritter, oder gepanzerte Pikeniere oder Veteranen, die sich mit dem Kriegshandwerk auskennen und deswegen doppelten Sold beziehen („Doppelsöldner“). Nach Landsknecht-Muster folgen der ersten Reihe Nahkämpfer vier Reihen Pikenträger, dann wieder 1 Reihe Bidenhänder etc. und viermal die Spieße. Oft umrahmt aber auch eine Reihe Kurzwaffen das gesamte Geviert.

 

 

Foto links: Schwere Pikenier-Reihen, darum Kurzwaffen-Kranz, links oben Offiziere

Gegen Reiterei 

Gegen Reiterei halten die Spießer ihre Piken schräg, so daß nur das Pferd Schaden nimmt, denn ohne sein Roß war ein schwergepanzerter Reiter allein auf sich gestellt und damit weitgehend verloren.

 

Schützen

Die Schützen sind noch außen vor, im „Geviert“ finden sie keinen Platz. Sie ziehen entweder in Schützenkette (also in lockerer Formation) vor der Spieß-Infanterie her oder marschieren in einer stumpfen Dreiecks-Formation in die Schlacht, von der aus sie leicht ausschwärmen können (Schützenkette). Mitunter dienen sie auch als Nachhut und Schutz der abziehenden eigenen Truppen.

 

Die Schweizer am Ende

Die Schweizer, die bislang eine eigene Eroberungspolitik betrieben haben, machen die Neuerungen dieser neuen Taktik nicht so recht mit und werden in der Folge in mehreren Schlachten in den oberitalienischen Kriegen geschlagen und verzichten nach der Niederlage von Bocaccio (1522) auf alle weiteren Expansionen. Da viele Männer in dem armen Land aber kein Auskommen finden, gehen sie in die Fremde und verdingen sich als Söldner. Vor allem die Franzosen nehmen sie mit offenen Armen auf, da sie bislang über kaum eigene Pikeniere verfügen (die wenigen eigenen Einheiten, über die sie verfügen, sind von minderer Güte). Etliche Schweizer Regimenter werden aufgestellt und sind dem jeweiligen König treu. Die Schweizer ziehen auch in andere Länder, und bis heute ist von diesen noch die Schweizergarde des Papstes übrig.

 

Tercio und Regiment

Die gemischten Infanterie-Verbände werden kleiner und heißen bei den Spaniern Tercios (mit etwa 3 000 Mann) und den noch etwas geringeren Regimentern im deutschsprachigen Raum – diese sind aber noch nicht mit den Regimentern späterer Zeiten gleichzusetzen. Die immer weiter anwachsende Anzahl von Schützen führt dann zu einem Rückgang der Doppelsöldner, der Schwert- und Hellebardenkämpfer, bis gegen Ende des Jahrhunderts Schützen und Pikeniere die Masse eines Tercios/Regiments ausmachen. Als einzige tragen die Unteroffiziere weiterhin eine Hellebarde oder ähnliche Stangenwafffe – da sie in der Schlacht nicht vorneweg, sondern hinter den Soldaten stehen, liegt die Vermutung nahe, daß ihre Aufgabe jetzt hauptsächlich darin besteht, durch Querhalten und Schieben der Waffe, die Männer dazu zu bewegen, in der Formation zu bleiben, zum Angriff vorzugehen oder sich das Desertieren noch einmal zu überlegen. Die Spanier haben als Nahkämpfer die Rodeleros oder Rundtartschierer („Rundschild“) eingesetzt, die mit rundem Schild und Degen auf die Gegner-Spießer eingehauen haben.


Kavallerie

Die beherrschenden Großmächte West- und Zentraleuropas, Frankreich, Spanien und der deutsche Kaiser, setzen aber weiterhin auf schwere Reiterei (Lanzierer) als Hauptangriffswaffe und leichte Reiterei (nach spanischem Vorbild, den „Jinettes“ oder nach italienischem, den „Stradioti“) zur Unterstützung derselben. Bis zu den berittenen Arkebusieren oder gar den Dragonern sollen noch einige Jahrzehnte vergehen.

 

Schwere Reiterei

Auch wenn die schwere Reiterei als die Hauptangriffswaffe angesehen wird, kann sie doch nur wenig gegen die Tercios ausrichten, zumal die Piken länger sind als die Lanzen der Reiter. Und die Kürassiere, wie die Lanzierer Ableger der Ritterschaft (sie folgten den Lanzenreitern mit dem gezogenen Schwert, um in die aufgebrochenen Reihen des Gegners dreinzufahren) bekommen erst dann einen Vorteil, als sie (in einigen Jahrzehnten) mit Pistolen versehen werden. Die Schlachtreiterei (ein anderer Name für schwere Reiterei) muß in der Regel warten, bis die eigenen Geschütze und Arkebusen einen gegnerischen Tercio hinreichend aufgebrochen haben.

 

Leichte Reiterei

Die leichte Reiterei dient vor allem der Belästigung des Gegners. Schnell und wendig dringen die Leichten ohne allzu viel Mühe hinter die Linien des Gegners, besetzen dort Kreuzungen, Gehöfte und andere Stellen, die die Verbindungslinien des Feindes unterbrechen. Oder sie reiten an den Flanken der Schweren, um im Verein mit den eigenen die Lanzierer der anderen Seite zu überwinden (nach dem Prinzip zwei gegen einen). Auch in der Schlacht reiten sie bevorzugt dorthin, wo der Gegner gerade eine Schwäche aufweist – schneller als die leichten Reiter kann sich im niemand auf dem Schlachtfeld bewegen.

 

Artillerie

Im Gegensatz dazu die Artillerie. Die Kanonen (oder „Stücke“) werden in Einzelteilen aufs Schlachtfeld gefahren, dort zusammengebaut, verkeilt und mit Schutzmaßnahmen (Gräben, Schanzkörbe, Schanzen und so weiter) versehen – denn auf der anderen Seite lauern Scharfschützen. Deswegen sind die Geschütze, einmal aufgebaut, unbeweglich. Also reitet der Feldherr vor der Schlacht das zukünftige Schlachtfeld ab, um die Hügel oder Höhenzüge zu finden, von denen aus die eigenen Stücke am gezieltesten und längsten feuern können. Am vorteilhaftesten dort, wo sie den zu erwartenden Hauptstoß des Feindes am wirkungsvollsten stören können.

 

Zuerst schießen die Kanonen

Mit dem Beschuß der Kanonen beginnt die Schlacht, und die Stücke feuern so lange, wie sie freies Schußfeld haben, d.h. bis sich nicht die eigenen Verbände zwischen sie und die Gegner geschoben haben. Das Sichtfeld und die Sichtweite hängen vom guten Auge des Richtschützen ab (meist der Geschützmeister, der das Stück „ausrichtet“). Die wenigen Hilfsmittel an seiner Kanone sind ihm zwar eine Hilfe, aber noch längst nicht hochentwickelt. Aber wenigstens kommt nicht mehr jeder Geschützmeister mit seiner eigenen von ihm selbst gegossenen Kanone herangezogen, so daß es so viele verschiedene Kaliber wie Stücke gibt. Der französische König und der deutsche Kaiser haben für eine Vereinheitlichung der Kaliber gesorgt, und die anderen Mächte folgen diesem Beispiel.

Übrigens lassen die Schweizer „Reisläufer“ (Fußsoldaten) sich gern zu Boden fallen, wenn sie unter Artilleriebeschuß geraten. Tatsächlich erschwert so etwas den Richtkanonieren das Zielen. Sie springen erst wieder auf, wenn die gegnerischen Haufen zum Angriff übergehen und damit ihren eigenen Geschützen die Sicht nehmen.