Großer Nordischer Krieg 1700 - 1721


Mittwoch, 09. August 2017

Battle of the village of Lesnaya on September 28, 1708. Russische Soldaten tragen auch hellblaue Jacken zu roter Unterkleidung.

 

Vorbemerkung

 

Lesnaja, gilt als erste Schlacht im Großen Nordischen Krieg, in der die Russen die Schweden besiegen konnten. Das heißt aber noch lange nicht, daß damit auch die Russen als Sieger und die Schweden als Verlierer dastehen. Schwedische und vor allem englische Texte scheinen es nicht verwinden zu können, daß die Schweden eins auf den Deckel bekommen haben. Da wird dann zurechtgebogen, falsch ausgesagt und mit Zahlen jongliert, daß man glaubt, es ginge um Rußlands Präsident Putin. Die russischen Texte sind da doch etwas zugänglicher. Gleichwohl haben wir uns nicht vorbehaltlos den russischen Schlachtdarstellungen angeschlossen, sondern versucht, uns unseren eigenen Weg durch dieses Gestrüpp zu bahnen und uns an dem zu orientieren, was uns am sinnfälligsten erschienen ist.


Einführung

 

Spätestens seit dem schwedischen Einfall in Norddeutschland im Dreißigjährigen Krieg läßt sich beobachten, daß man in Stockholm die Ostsee zu einem Schwedischen Meer umformen will. Die anderen Anrainer-Staaten fürchten Schweden deswegen und wegen seiner hervorragend ausgebildeten Armee. So verbünden sich Rußland, Dänemark-Norwegen und Sachsen-Polen (August der Starke ist Kurfürst von Sachsen und seit 1697 auch König von Polen – in Polen wählt der Adel den Thronnachfolger) im Jahr 1700 gegen den Feind.

 

Der schwedische König, Karl XII., läßt sich nicht lange bitten und schlägt sofort zu. Dänemark wird schon im Jahr 1700 so schwer geschlagen, daß es aus dem Bündnis ausscheidet. Schweden kann sich der Hilfe von den Niederlanden und Hannovers mit Bodentruppen und von England und Holland mit Schiffen erfreuen. 1701 beginnt der Spanische Erbfolgekrieg, von da an schlagen sich die schwedischen Verbündeten lieber mit Frankreich herum. Auch Sachsen erleidet gegen Schweden Niederlage um Niederlage, meist auf polnischem Boden, dann marschiert Schweden 1706 in Sachsen ein. Bleibt nur noch Rußland, das ebenfalls etliche Schlachten gegen die Schweden verloren hat, aber immer noch durchhält (bis 1708 hat Zar Peter I. der Große seine Militär-Reformen umgesetzt).

 

Bild links: Slaget vid Lesna. Målning av Jean-Marc Nattier

Feldzug gegen Rußland

 

1707 marschiert Karl XII. gegen Rußland los, er will Moskau erobern. Der erste Sieg läßt nicht lange auf ich warten, bei Golowtschin schlägt Karl XII. eine russische Armee (wir haben dieses Gefecht ja bereits im letzten Jahr behandelt); die Russen wenden dann die Taktik an, die sie 100 Jahre später auch gegen Napoleon und 225 Jahre später gegen die deutsche Wehrmacht ergreifen: Sie ziehen sich immer weiter vor dem Feind zurück und hinterlassen ihm das, was man später “Verbrannte Erde” nennen wird: die Nachschubwege werden für den Eindringling immer länger, vor Ort kann er seine Vorräte nicht ergänzen. Als es an allem mangelt, ruft der schwedische König seinen General Lewenhaupt, der mit einer der besten schwedischen Armeen in Kurland und Litauen steht, zu sich. Im dem Raum der heutigen drei baltischen Staaten hat sich ein Nebenkriegsschauplatz entwickelt. Die Russen wollen endlich an die Ostsee, was die Schweden ihnen schon seit längerem verwehren. Lewenhaupt soll nun mit allen verfügbaren Truppen und ausreichend Vorräten für seine und Karls Armee zur Hauptstreitmacht marschieren. Doch wie so oft geht es nicht immer so rasch vonstatten, wie man das gern hätte. Der Abmarsch des Lewenhaupt’schen Wagenzugs verzögert sich immer mehr. Nach Wochen des vergeblichen Wartens bricht der schwedische König den Vorstoß auf Moskau ab und schwenkt in Richtung Ukraine um, weil dort noch allerlei zu holen ist. Lewenhaupts Wagenzug ist zu dem Zeitpunkt bis auf 80 Meilen ans Hauptheer herangekommen. Da er viel langsamer ist, vergrößert sich der Abstand danach wieder täglich.

 

Zar Peter erkennt seine Chance, die beiden schwedischen Armeen getrennt zu schlagen, und weiß auch, daß er dem Feind größeren Schaden zufügt, wenn er zunächst die Versorgungskolonne ausschaltet.

 

Bild oben: Battle of the Forest 1708, Russia under Peter 1, Peter 1 king and emperor 800 × 521Bildersuche: Battle of Lesno

Truppenstärken

 

Die Schweden:

 

Lewenhaupt bricht Ende Juli mit 6-7000 Wagen und Teilen seiner Armee aus Riga auf. Und schon widerspricht sich alles. Von 1000-7000 Wagen ist bei den einzelnen Autoren die Rede. Den niedrigsten Wert vergessen wir ganz, 1000 Wagen dürften kaum ausreichen, um etliche 10 000 Mann mit Verpflegung und Munition zu versorgen (König Karl XII. ist im Vorjahr mit 70 000 Soldaten aufgebrochen, nach Abzug von Garnisonen, Kranken, Deserteuren usw. dürften immer noch sehr viele Schweden in der Ukraine unterwegs gewesen sein). Damit schließen wir uns der 6000- bzw. 7000-Wagen Angabe an, die von der Mehrheit der Autoren geteilt wird.

 

Weiter zu der Begleittruppe und erneut durch einen Zahlensumpf: Lewenhaupt zieht mit dem beweglichen Teil seiner Armee los, das sind alle Truppen, die nicht als Garnison in einem Ort liegen oder mit Sonderaufgaben woanders beschäftigt sind. Diese Armee bringt es auf 5000 Reiter (je zur Hälfte “Dragoner” und Kürassiere) und 7500 Mann Infanterie, zusammen 12 500 Soldaten. Er zieht wahrscheinlich aber noch Soldaten aus den Garnisonen ab – in Höhe von 3500 Mann - um seine Streitmacht zu verstärken. Es sollten ursprünglich 20 000 Mann werden, aber es brechen einige Tausend weniger auf, weil von den 20 000 eben nicht alle für einen so weiten Weg ausreichend marschtauglich sind. Nach russischen Aufklärungsberichten begleiten 16 000 Mann den Konvoi. Hinzu kommen einige polnische bzw. litauische Hundertschaften (”Banner”) leichter Reiterei, die aufgrund ihrer Landeskunde für die Aufklärung eingesetzt werden.

 

Infantrie:

 

Hälsinge regemente (1160 Mann)

Björneborgs regemente (900 Mann)

Upplands, Västmanlands und Dalarnas regemente (980 Mann)

Åbos, Björneborgs und Nylands regemente (900 Mann)

Smålands (600 Mann) - eher als Miliz anzusehen

 

Livlands und Ösels infanteriregemente (880 Mann)

Åbolands regemente (500 Mann)

Nylands regemente (500 Mann)

Österbottens regemente (600 Mann)

 

Närke-Värmlands regemente (400 Mann) eher als Miliz anzusehen

Öselska infanteribataljonen (580 Mann)

 

Artilleriregementet - artillery Kompanie (50 Mann auf 16 Geschütze, den Artilleristen werden in der Regel Musketiere zugeteilt, um das Geschütz zu bewegen, zu verschanzen und was dergleichen mehr ist.

 

Kavallerie:

 

Livländska Adelsfanan (200 Mann)

Åbo und Björneborgs läns kavalleriregemente (1000 Mann) 

Karelska dragonregementet (800 Mann)

Upplands ståndsdragonregemente (800 Mann)

 

Schlippenbachs livländska värvade dragonregemente (600 Mann)
-Schreiterfelts livländska värvade Dragonregemente (600 Mann)

 

Karelska lantdragonskvadronen (300 Mann)

Skoghs livländska dragonskvadron (300 Mann)

Öselska ståndsdragonskvadronen (300 Mann)

Total: 4,900 people.

All infantry (8050 Mann) and cavalry (4900 Mann): 12 950 Mann

 

Bild links:
Rot= Russen, blau= Schweden

 

Die Russen bringen erst einmal deutlich weniger auf die Beine. Peter teilt seine Armee nämlich in drei Divisionen, von denen er selbst eine führt und mit ihr gleich aufbricht. Die beiden anderen sollen so rasch wie möglich folgen und später zu ihm stoßen. Die zweite Division (unter General Bauer, den wir in den unterschiedlichsten Schreibweisen antreffen) trifft am späten Nachmittag des Schlachttages von Lesnaja ein, die dritte (unter General von Werden, ein reiner Infanterie-Veband) kommt ganz zu spät.

 

Peters Division setzt sich zusammen aus 6795 Dragonern und 4830 Fußsoldaten (die um des rascheren Vorankommens willen auf Pferde gesetzt werden). Alle drei Divisionen zusammengenommen haben zwischen 26 500 und 29 000 Mann. Russische Kavallerie besteht seit Peters Reformen fast ausschließlich aus Dragonern, die aber eher als mittelschwere Reiterei denn als berittene Infanterie anzusehen sind; eine Entwicklung, die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts in ganz Europa ausbreiten wird. Peters Divsion weist also eine leichte Unterlegenheit gegenüber den Schweden auf (und eine größere für den Fall, daß Lewenhaupt aus seinen Garnisonen Truppen abgezogen hat). Nun gibt es aber englische Autoren, die steif und fest behaupten, Peter sei die ganze Zeit über deutlich in Überzahl gewesen. Denn man müsse die etlichen 1000 Kosaken, Kalmüken usw. berücksichtigen, die seine Truppe begleiteten. Na ja, die haben aber nachweislich nicht in die Kämpfe eingegriffen und sind auch sonst wenig in Erscheinung getreten, außer, daß sie schwedische Bagagewagen geplündert haben, als diese während der Schlacht ein gutes Stück entfernt abgestellt worden waren. Ganz schlimm kommt uns aber das englischsprachige “Schulfunk”-Video daher, das mit zum Teil bösartigen Unterstellungen und Verdrehungen nicht aufklären, sondern nur antirussische Stimmung erzeugen will.

 

“Peters Division”

 

Infanterie-Regimenter (10 Bataillone, zusammen 4830 Mann)

Preobrazhenski (Garderegiment mit 4 Bataillonen)

Semenovski (Garderegiment mit 3 Bataillonen, normalerweise auch 4))

 

Ingermanlandski (2 Bataillone)

Astrachananski (nur 1 Bataillon anwesend)

 

10 Dragoner-Regimenter (mittlere Reiterei, zusammen 6975 Mann):

 

Kiewski

Wladimirski

Nowgorodski

Troitski

Sibirski

Smolenski

Wjatski

Nischegorodski

Twerski

Permski

 

(die von General Bauer später herangeführten Dragonerregimenter, 4976 Mann (insgesamt sind das Schätzungen, es können auch das eine oder andere bei Peter mitgeritten sein und umgekehrt). Wahrscheinlich liegt der Fehler bei uns, aber wir kommen nur auf insgesamt 17 Dragoner-Regimenter, dabei sollen es laut Quellen 18 sein (10 für Peter und 8 für Bauer), allerdings werden dort nie alle Namen aufgeführt:

 

Newski

Uschuschski

Narwski

Rostowski

Jamburgski

Kargopolski

Koporski

 

Laut russischen Angaben wurden die Divisionen von 5-6000 Kosaken und 4-5000 Kalmüken begleitet (in englischen und anderen westlichen Quellen finden sich keine Zahlenangaben).

 

Gesamt-Artillerie aller drei russischen Divisionen (nur in 1 Quelle sind russische Artillerie-Zahlen erwähnt, wir geben sie also mit etwas Vorsicht weiter, vor allem, was die Mörser angeht, aber besser eine ungefähre Vorstellung als gar keine):

 

- 30 Geschütze

- 60 Mörser.