Großer Nordischer Krieg 1700 - 1721

Mittwoch, 04. November 2015
Beim letzten Mal gab es Videos zur Taktik, heute einige Figuren-Abbildungen zu den taktischen Formen im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert:

 

Feuergefecht

Eine komplette Kompanie im älteren Stil zu 6 Gliedern. Jede Kompanie besteht aus drei Pelotonen zu je 48 Mann. Das linke und das rechte Peloton setzt sich aus Musketieren zusammen, das mittlere aus Pikenieren (zumindest bei den Mächten, die Pikeniere noch eingesetzt haben, sonst dreimal Musketiere). Beim Aufmarsch befindet sich links und rechts des Pelotons je 1 Unteroffizier, der Hauptmann nebst Fähnrich und weiterem Stabsmann marschieren in Dreiergruppe vorneweg. Die Reihen links außen und rechts außen werden von Grenadieren eingenommen. Sie stehen deswegen an den Rändern, um ihre Granaten werfen zu können.

 

Hier sehen wir das sogenannte Ga-Pa“-Feuer wie es die Schweden eingesetzt haben. Auf eine Entfernung von 30-25 Schritt vom Feind feuert die vordere Hälfte des Pelotons (die ersten drei Glieder), auf kürzeste Distanz, also auf 10-5 Schritt die hintere Hälfte des Pelotons (die Glieder vier bis sechs). Wir haben die vorderen Reihen mit knienden, die hinteren Reihen mit stehenden Schützen besetzt, um den Ablauf deutlicher zu machen. Die abgebildeten Figuren stellen allesamt Schweden aus dem angegebenen Zeitraum dar stammen von MARS (nach hinten zu werden die Glieder durch Figuren von ZVESDA und STRELETS ergänzt).

Ein Blick auf die Pikeniere im mittleren Peloton der Kompanie (aus technischen Gründen hier ohne Stangenwaffe). Im Falle eines Angriffs oder einer Verteidigung schieben sich die Pikeniere zwischen die Musketier-Glieder links und rechts, beziehungsweise die Musketiere verschieben sich in Richtung Zentrum. So bleiben die 6 Reihen bestehen, jetzt aber bestehend aus Pikenieren und Musketieren. Solche Formationen werden am ehesten zur Abwehr von Kavallerie-Angriffen gebildet, bevor die Piken ganz abgeschafft werden. Piken-Angriffe auf gegnerische Infanterie hat es zuletzt irgendwann im Dreißigjährigen Krieg gegeben, galt aber schon damals, im letzten Drittel dieses Konflikts, als überholt. Einzige Ausnahme: die Schweden. Zur Verstärkung des Angriffs gegen Infanterie werden bei ihnen auch Pikeniere mit Musketieren gemischt.


 

Sturmangriff

Flügel oder „Division“ eines Bataillons, in der moderneren Variante zu vier Gliedern. Die Einheit steht nicht nach Kompanien aufgeteilt da, sondern zu acht Halb-Pelotonen in „Divisionen“, dazu am äußersten Rand je ein Grenadier-Halb-Peloton, ebenfalls zu 32 Mann. Die Grenadiere sind mittlerweile nicht mehr vornehmlich Granatenwerfer, sondern Elite-Infanterie. Der andere Musketier-Flügel sieht ebenso aus wie der hier abgebildete, die mittlere „Division“ wird von Pikenieren gebildet (insofern solche eingesetzt werden, sonst dreimal Musketiere). Die schwedische viergliedrige Formation verlegt sich darauf, beim Angriff nur einmal auf den Feind zu feuern, und zwar auf kürzeste Entfernung.

 

Die Schweden haben gerade ihre zweite Salve abgefeuert, der Feind hat sich von diesem Doppelschlag noch nicht wieder erholt, da stürmen die Schweden auch schon los. Gewehr und Säbel voran drischt man auf die Feinde ein, wenn bereits Bajonette vorhanden sind, hilft das ebenfalls (wir haben hier vereinzelt Soldaten mit Seitengewehr eingesetzt), gibt es noch Piken, leisten die ebenfalls beste Dienste. Aber die Schweden haben längst nicht alle ihre Infanterieverbände mit Piken ausgestattet, vor allem die nicht-schwedischen müssen ohne auskommen. Doch hatten bereits die Franzosen im Dreißigjährigen Krieg und auch danach bei einigen Gelegenheiten mit dem Infanterie-Säbel als Angriffswaffe gute Erfahrungen gemacht.

 

Die Unteroffiziere oder „Sergeanten“ bewegen sich hier hinter dem Fußvolk, und das aus gutem Grund: gerät ein Peloton ins Stocken, treibt es der „Sergeant“ wieder voran, versucht gar der eine oder andere Musketier, sich nach hinten zu verdrücken, belehrt ihn der Sergeant mit dem Stockende seiner Hellebarde eines Besseren. Hinter der Truppe marschieren drei bis vier Trommler, die sozusagen die Gangart vorgeben. Werden einer oder mehrere Trommler getötet, gerät der ganze Aufmarsch durcheinander, deshalb bleiben sie lieber in „Deckung“. Der Soldat kann sich immerzu auf den Rhythmus verlassen. – Die abgebildeten Figuren stammen von MARS (und damit die Reihen und Glieder voll geworden sind, haben wir auch ein paar von ZVESDA und STRELETS dazugegeben).

 

Siehe auch: https://en.wikipedia.org/wiki/Caroleans

Wird fortgesetzt …

 


Samstag, 10. Oktober 2015
SCHWEDEN GEGEN RUSSEN/Ereignisse bei Poltawa


Vorbemerkung

Der Regisseur gibt in irgendeinem der Zusammenschnitte zu (die alle auf denselben Grundfilm zurückgehen, aber mal hier und mal dort gekürzt sind), daß sein Werk alles andere als eine historische exakte Wiedergabe der Ereignisse bei Poltawa (heute Ukraine) 1709 sei. Dennoch ist dieser Kurzfilm für uns nicht ohne Wert, denn es handelt sich um keinen Hollywood-Streifen, sondern um das in Film umgesetzte Bemühen, akkurate Ausrüstung und Taktik zu zeigen. Leider findet man das Video nur in russischer Sprache mit schwedischen Untertiteln vor, und wenn man „Google-Übersetzer“ bemüht, erhält man nur den üblichen Wortsalat. Deswegen wollen wir uns an den Bildern entlangbewegen.

 

Poltava 1

00:01 – 00:25 Schwedische Infanterie (blau-gelbe Uniformen) tritt aus einem Wald und formiert sich zur Angriffsformation in Kompanien (ca. 150 Mann). Offiziere, Fahnenträger und Musiker marschieren vor ihnen her. Unteroffiziere marschieren in der Regel hinter den Kompanien, damit sich niemand unerlaubt verdrücken kann.

 

00:26 - 00:39  In den russischen Verschanzungen. Infanterie mit grünen, Artilleristen mit roten Uniformen. Beachte den Karren mit dem tiefen und soliden Setzkasten, in den Fächern befinden sich Kanonenkugeln.

 

00:40 -  00:54  Die Schweden eröffnen die Schlacht traditionell mit Kanonenfeuer, beachte die mittleren Geschütze, die bei allen Armeen die Masse der Schlacht-Artillerie stellen.

 

00:55 – 01:24  Die Russen werden durch Trompetensignal an ihre Geschütze gerufen. Der Herr ohne Hut, der vor die Truppe reitet und ihr eine anfeuernde Rede hält, stellt Zar Peter I. dar.

 

01:25 – 02:25 Der Herr, der auf einer Bahre liegt, stellt den schwedischen König Karl XII. vor, er ist erkrankt. Er gibt der Infanterie den Befehl zum Angriff, der gemäß der Rang-Hierarchie von den einzelnen Offizieren weitergegeben wird. Das „Larm“ im Text heißt so viel wie „Achtung!“ und „framat“ so viel wie „Vorwärts!“ Kompanie an Kompanie rücken die Schweden in mehreren Treffen vor. Zwischen 02:15 und 02:18 ist der schwedische Anmarsch gut zu erkennen.

 

02:26 – 02: 45 Die russischen Geschütze sprechen, und man erkennt die furchtbare Wirkung der Kartätschen. Nicht umsonst heißt es „Nicht Gewehre töten Menschen, sondern Kanonen töten Menschen.“ Die gutausgebildeten schwedischen Soldaten (in der ersten Hälfte des Großen Nordischen Krieges die bestgedrilltesten Soldaten Europas) aber schließen von hinten nach vorn die Lücken und marschieren weiter.

 

02:46 – 03:24 Gemäß der schwedischen „Ga-Pa“-Taktik (mit der beschäftigen wir uns hier bald auch) marschieren die Schweden bis kurz vor den Feind (ca. 30 m), und die beiden vordersten Reihen knien sich hin und feuern eine Salve ab. „Sikta“ heißt so viel wie „Anlegen“ (eigentlich „Anvisieren“). Bei den Russen werden eine Menge Männer getroffen, aber die Salven richten keinen flächendeckenden Personenschaden an. Die Russen lassen noch einmal die Geschütze abfeuern, die aber in der hinteren Front der Schweden landen und dort Schaden anrichten. Beachte, seit dem 16. Jahrhundert wird darüber geklagt, daß die Artillerie zu hoch schießt und die Kugeln oder Kartätschen über den Gegner hinwegfliegen.

 

03:25 – Eigentlich müßten die Schweden jetzt kurz vor dem Feind (nur wenige Schritte entfernt) die dritte und vierte Reihe ihre Salve abfeuern lassen, aber das erspart der Regisseur uns hier. „Ga-Pa“ macht es sich zunutze, daß Gewehrfeuer nicht schlachtentscheidend ist. Sie feuern aus nächster Nähe, um dem Feind psychologisch zuzusetzen, und greifen dann mit dem Bajonett oder dem Säbel an. Wie wir im folgenden Nahkampf erkennen können, fallen dem mittelalterlich anmutenden „Hauen und Stechen“ mehr Soldaten zum Opfer, als den Musketenkugeln.

 

03:45 - Die Russen feuern zurück, aber ein „Ga-Pa“-Infanterie-Angriff ist kaum aufzuhalten (Dank seiner haben die Schweden in diesem Krieg so oft siegen können). Beachte die russischen Stellungen, in denen wir so einiges aus der REDBOX-Schachtel „Schlachtfeld-Zubehör“ erkennen können.

 

04:48 - Beachte die schwedischen Grenadiere, die jetzt angreifen. Die in der ersten Reihe werfen Granaten, woher diese Truppe ihren Namen hat. Beachte auch die geraden Schwerter der Kämpfer. Sie dienten vornehmlich zum Stechen (ebenfalls Bestandteil der „Ga-Pa“-Taktik), anders als die gebogenen Kavallerie-Säbel späterer Zeiten, die sich eher zum Zuschlagen eignen. So endet der erste Teil im Getümmel an den russischen Artillerie-Stellungen.



Poltava 2

Noch immer wird an den Artillerie-Stellungen gekämpft, die Russen sind mittlerweile vertrieben (das kleine Heldenstückchen mit der Pulver-Explosion zu kommentieren, ersparen wir uns hier). Wir erkennen ein gutes Stück dahinter die aufmarschierte russische Infanterie, die jedoch nicht in Kompanien, sondern in Pelotons angetreten ist, heute sagen wir „Zug“ dazu (der Begriff „Peloton“ lebt im englischen „Platoon“ fort).

 

00:45 – die Schweden brechen durch und stürmen auf die russische Infanterie zu, welche jetzt aber zu Kompanien aufgestellt ist.

 

01:00 – russische Schlachtreiterei rückt vor und reitet gegen die Schweden. Alle russischen Kavalleristen sind Dragoner, die sinnfälligste Lösung, nachdem bei den Militärreformen Ende des 17. Jahrhunderts die Adelsaufgebote (jeder Fürst hat sein Gefolge und diejenigen seiner Untertanen, die sich den Reiterdienst leisten konnten, im Kriegsfall zusammengerufen) aufgelöst worden waren. Die russischen Dragoner kämpfen sowohl als Dragoner (berittene Infanterie) wie auch als Schlachtreiter (mit dem Schwert, wie die Kürassiere, nur ohne Brustpanzer). Die schwedischen Formationen sind etwas in Auflösung geraten und können einem Kavallerieangriff nicht standhalten, sie ergreifen die Flucht. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts lernt die Infanterie es aber, nicht vor einem Reiterangriff zu flüchten und ihn abzuwehren.

 

02:45 Die zweite schwedische Welle (das 2. Treffen) rückt vor. Noch einmal feuern die Kanonen, diesmal von beiden Seiten. Schweden und Russen feuern im sogenannten Pelotonfeuer aufeinander (das gesamte Peloton feuert gleichzeitig, das späteren Reihenfeuer (erst 1. Reihe, dann die 2. usw.) steckt noch in den Kinderschuhen, was natürlich eine fürchterliche Wirkung hat. Und danach stürmen beide Seiten mit Blankwaffen (Bajonett, Schwert) aufeinander los, der klassische Nahkampf setzt ein.

 

05:20 – „Reserven“ befiehlt der schwedische König, und die schwedischen Reserven eilen in die Schlacht. Das bringt die russischen Reihen ins Wanken.

 

06:20 – „Zaren!“ ruft ein russischer Musketier, als er erkennt, daß Zar Peter sich auf sein Pferd geschwungen hat und seinen Männern voranreitet. Der Ruf pflanzt sich fort, die Russen fassen neuen Mut, und jetzt geht es den Schweden an den Kragen. Auch die russische Kavallerie greift wieder ein.

 

06:55 – Obacht, jetzt gibt es etwas zu sehen, daß man so schnell nicht wieder geboten bekommt: russische Ein-Mann-Mörser, sogenannte „Bombardiere“, gelangen zum Einsatz, rammen ihre Kleinkanone (so ähnlich wie die Tiroler Böller bei dortigen Festveranstaltungen) in den Boden und geben Feuer, was den Schweden große Verluste einbringt (bei STRELETS gibt es die Figur).

 

07:10 – Russische Kavallerie bricht in die bereits angeschlagenen schwedischen Reihen ein, die Schlacht ist für die Skandinavier verloren. Die schwedischen Offiziere ziehen ihre Degen und Schwerter und bilden einen lebenden Schutzwall um ihren König.