Kriege in Osteuropa


Mittwoch, 16. Mai 2018

Die Polen nennen den Ort Chocim, die Russen, Rumänen und Ukrainer Khotin oder Khotyn, und bei den Türken heißt er Hotin. Er liegt im Südwesten der heutigen Ukraine unweit des modernen Rumäniens und ist vermutlich deshalb so vielen Völkern ein Begriff.

 

Seitdem RED BOX uns rund um Ostern kosakische Infanterie in drei Varianten beschert hat, suchen wird nach geeigneten Schlachten, um die Figuren auszuprobieren. Khotin dürfte die größte mit kosakischer Beteiligung sein. Allerdings findet sie erst 1621 statt, und das liegt ja wohl etwas außerhalb des 16. Jahrhunderts, das Red Box für seine Figuren in Anspruch nimmt. Doch haben sich in dem Zeitraum die Moden nicht sehr verändert, und zweitens ist es eben die größte Kosakenschlacht, und wenn wir uns schon damit befassen wollen, dann aber auch richtig …

 

Bild links: Sultan Osman II. umgeben von Janitscharen und Palasttruppen, zeitgenössische türkische Darstellung aus den Jahren 1620-22

 

 

Bild links: zeitgenössische Zeichnung von Schlachtaufstellung und -ablauf  von Giacomo Lauro

 


Was ist geschehen?

 

Die Türken erobern 1453 Konstantinopel, womit das Byzantinische Reich endgültig der Vergangenheit angehört. Parallel dazu haben sie den Balkan unterworfen und gedenken, sich dort auch weiter auszudehnen. 1526 bricht infolge der katastrophal verlorenen Schlacht bei Mohacs das ungarische Reich zusammen. Die Staaten dahinter geraten in Kontakt mit den Osmanen – das Deutsche Reich und Polen/Litauen. Zunächst einmal zanken sich die Türken mit den Österreichern um Ungarn, aber Ende des 16. Jahrhunderts geraten auch die Polen verstärkt ins Visier des Sultans. Nun sind die Türken nie sehr weit über das Schwarze Meer hinausgekommen. Dort herrscht immer noch der „Wilde Norden“ aus ihrer Sicht, nach dem Zusammenbruch der Goldenen Horde steht das Gebiet formal unter polnischer Oberherrschaft. Sie überlassen das „Wilde Land“ den Tataren, die dorthin ihre Raub- und Versklavungs-Feldzüge unternehmen. Zusätzlich richten sie an ihrer europäischen Nordostgrenze drei Pufferstaaten ein – Walachei, Moldau und Siebenbürgen (aus der ungarischen „Konkursmasse“) -, die zusammen später das heutige Rumänien ergeben.

 

 Bild oben: Verteidigung des polnischen Banners, gemeinfreies Gemälde von Juliusz Kossak, 1892

 

Und dafür interessiert sich bald auch Polen/Litauen. Die polnischen Fürsten („Magnaten“) mischen sich ziemlich ungeniert in die inneren Angelegenheiten des Fürstentums Moldau ein, um dort einen ihnen genehmen Kandidaten auf den Gospodar-Thron zu hieven. Nun ist Moldau ein Vasallenstaat des Osmanischen Reiches, und solche Störungen hat sich noch nie ein Land auf der Welt gefallen lassen. 1618 bricht dann der offene Krieg zwischen beiden Mächten aus. Gleichzeitig beginnt auch der Dreißigjährige Krieg. Die polnische Ständevertretung, der Sejm, beschließt, obwohl das Land streng katholisch ist, sich neutral zu verhalten. Fürst Gabor Bethlen von Siebenbürgen, Calvinist und erklärter Feind der Habsburger, dringt mit einer Streitmacht in Österreich ein und belagert sogar Wien (die Belagerung geht, nur am Rande bemerkt, völlig in die Hose, weil der gute Mann über keinen nennenswerten Fußtruppen und überhaupt kein Belagerungsgerät verfügt); dennoch schickt König Sigismund III. – aus seinem Privatvermögen finanziert und damit an der Ständevertretung vorbei – Hilfstruppen ins Nachbarland, und die besiegen die Siebenbürger in Nordungarn und zwingen Gabor Bethlen so, die Belagerung Wiens aufzugeben. Er, nicht dumm, wendet sich an den türkischen Sultan um Hilfe, der muß seinen Vasallen natürlich unterstützen. Als sich dann auch noch das Fürstentum Moldau offiziell mit Polen verbündet, können die Türken nicht mehr anders, als Truppen loszuschicken. Eine weitere polnische „Privat“-Armee trifft bei Cecora aus die osmanische Armee, die eigentlich zu Gabor Bethlen unterwegs ist. Die Polen gehen völlig unter, und das bahnt den Weg für ein Umdenken des Sejms, der Ständevertretung. Nun bewilligt man die Mittel für das Aufstellen einer Armee und verbündet sich mit den Saporoger (Saporoscher) Kosaken, die selbstverwalteten Kosaken westlich des Dnjepr.

 

Im Folgejahr marschieren die Türken mit einem richtige Feldzugsheer los, die Polen bringen 25 000 Mann auf, die Kosaken 20 000 (nach manchen Quellen eher 25 000). Sie erreichen Khotin und errichten dort ein Lager, das aber noch nicht befestigt ist, als die Türken mit 150-250 000 Menschen eintreffen. Seriöse Historiker gehen davon aus, daß die Türken den Polen zwei- bis zweieinhalbfach überlegen waren.

 

Bild oben: zeitgenössisches, gemeinfreies Gemälde aus dem osmanisch-polnischen Krieg; beachte die Kosaken in der linken unteren Ecke.

 

TRUPPENSTÄRKEN

 

Osmanen

 

Gehen wir einmal von 140 000 Mann aus, so entfallen davon 40 000 auf Tataren und Nogaier (leichte Reiterei) und 13 000 Moldauer und Walachen.

 

Von den restlichen, den eigentlichen osmanischen Truppen stammen etwa 35 000 aus dem stehenden Heer, den Palasttruppen oder Kapikulu, bei dem Rest handelt es sich um Provinztruppen, die zu den Feldzügen herangezogen werden.

 

Palasttruppen:

 

18 000 Janitscharen (Schützen, nicht mehr ganz so Elite wie früher)

 

13 000 Palast-Reiterei, da der Sultan auf dem Feldzug anwesend ist, samt und sonders schwere Reiterei der fünf Kavallerie-Regimenter.

 

1800 Cebeci, Waffenschmiede und -warte

 

1300 Mann des Artillerie-Korps

 

Provinztruppen

 

44 000 Sipahi mit Knappen, mittlere Reiterei

 

10 000 Segban und andere Schützen und andere irreguläre Kämpfer

 

6000 Deli, Gonüllü und andere leichte Reiterei

 

 

 

Hinzu kommt ein Troß von 100 000 Personen

 

Bild oben: Sultan Osman II. auf dem Marsch nach Khotin, zeitgenössische osmanische Darstellung

 

Polen/Litauen und Kosaken:

 

8300 Husaren, schwere Lanzenreiterei

 

9600 mittlere bis schwere (gepanzerte) Reiterei; handelt es sich bei ersteren um Polen in Kosaken-Aufmachung, stehen zweite für Pancerni, Reiter im Ketenhemd.

 

8500 Fußsoldaten, meist mit Gewehr bewaffnet, aber auch mit anderen Waffen

 

6000 „Deutsche Infanterie“, den westlichen und deutschen Musketieren und Pikenieren nachgeahmte Infanterie.

 

(Das sind etwas über 30 000 Mann, aber leider fand sich keine andere Quelle, die so ins Detail geht; also gegebenenfalls die Zahlen kürzen.)

 

Hinzu kommen nach dieser Quelle 30 000 Kosaken, in ihrer Mehrzahl Schützen, der Rest mit Nahkampfwaffen, Spieß oder Bauernwaffen versehen; aber die Kosaken sitzen noch nicht zu Pferd.