Spät-Renaissance, 1470 - 1560


Mittwoch, 05. Dezember 2018

Bild links: Schwere Landsknechte

Quelle

 

Wir haben schon mehrfach mit der Schweizer Kriegsgeschichte gearbeitet (Bern, 1915). Auch für Novara finden wir wieder ein Füllhorn an Informationen vor, die wir gar nicht alle unterbringen können. Deswegen stützen wir uns beim Schlachtbericht vor allem auf dieses Werk und ergänzen es lediglich um einen Zusatz von Wikipedia.

 

 

 

 

 

Aufmarsch

 

Frankreich will unbedingt Oberitalien seinem Reich einverleiben. So müssen die Schweizer erneut in die Lombardei einmarschieren (Landschaft im Zentrum Oberitaliens mit der Hauptstadt Mailand; ehemals das Zentrum es langobardischen Reiches, an die der Name ja heute noch erinnert). Nach außen hin wollen sie Herzog Massimiliano Sforza in seiner Herrschaft über Mailand bestärken, in Wahrheit haben sie ihn aber in der Hand und üben über ihn ihren Einfluß über das Land aus. Als Sforza im Dezember wieder in seiner Hauptstadt einzieht, erhält er die Schlüssel zu ihr aus der Hand der Eidgenossen, ein allzu deutliches Symbol. Frankreichs neuerlicher Eroberungsversuch wird durch die Seitenwechsel Venedigs begünstigt, das sich, unzufrieden mit der Heiligen Liga, von derselben abwendet und sich auf die Seite Ludwigs schlägt. Im April 1513 bekräftigen die verbliebenen Mächte – Kaiser, Papst, Spanien, England und Schweiz - ihren Bund, obwohl die Hauptlast des Krieges auf der Schweiz liegen wird. Ludwig hat zwar sein Möglichstes getan, und einige „Orte“ (Kantone) sind auch durchaus für einen Moment schwankend geworden (solche Summen hat der französische König geboten). Doch Zürich, Uri, Schwyz, Glarus, Basel und Schaffhausen halten die Confoederatio Helvetica zusammen. Der verstärkte Einsatz der Schweizer ist auch dringend vonnöten, denn der neue Bund der Heiligen Liga ist kaum mehr als eine Totgeburt. Im März folgt Leo X. auf den Papstthron und beruft sich öffentlich auf seine Friedensliebe. Und ein weiterer Coup gelingt Ludwig, es gelingt ihm, mit Spanien einen Waffenstillstand von einjähriger Dauer zu schließen.

 

Bild links: Landsknechte

 

Gleichzeitig mit der diplomatischen Aktivität geht die militärische Aufrüstung einher. In den Tälern Savoyens versammeln sich 13 000 Mann. Mitte März berichtet der mailändische Gesandte den Schweizern von diesen Rüstungen, und um dieselbe Zeit verlegt Sforza 300 Panzerreiter und 500 Fußknechte an seine Westgrenze. Doch diese Truppen rebellieren gegen ihren Herrn, weil der Herzog ihrer Meinung nach zu wenig unternimmt, um einen Verteidigungsplan für sein Land zu entwickeln. Wenigstens alarmiert Sforza seine Schutzmacht, die Schweizer.

 

 

 

Der französische König baut seinen Kriegsplan auf einen großen Angriff auf. Die Franzosen sollen Mailand von Westen, die Venetianer selbiges von Osten aus den Angeln heben. Solche Massen zu bewegen, kostet Zeit, und rasche Operationen sind dabei nicht drin. Ludwig verspricht dem venetianischen Gesandten, 1350 Panzerreiter aller Gattungen) und 14 000 Fußsoldaten nebst starker Artillerie zu stellen. Tatsächlich gelingt es ihm in den nächsten Monaten, 12-1400 Panzerreiter, 600 leichte Reiter, 7500 (deutsche) Landsknechte, 4000 Mann französisches Fußvolk, 2500 italienische Fußsoldaten, 20 Geschütze, das dazugehörige Personal und Genietruppen (Pioniere) zusammenzubringen. Zusammen mit den noch zu erwartenden Hilfstruppen der Fürsten im westlichen Oberitalien dürften 8000 Reiter und 14 000 Mann Fußtruppen zusammenkommen. In der letzten Aprilwoche bricht man auf und zieht zunächst nach Turin. Schon am 10. Mai nimmt eine Vorausabteilung des Königs Asti ein, das bereits auf mailändischem Gebiet liegt. Die Städte in dem Herzogtum leisten überhaupt wenig Widerstand, weil Sforza es nicht verstanden hat, sie sích geneigt zu machen. Eine Woche später erreicht die französische Hauptmacht Susa im Herzogtum. Auch die Venetianer kommen gut voran. Am 12. Mai ergibt sich ihnen Cremona. Weite Gebiete schwanken bereits in ihrer Treue zum Herzog. Der gesamte Osten des Herzogtums droht abzufallen. Am 18. Mai schlagen sie bei Verona ihr Lager auf und verfügen über insgesamt 1200 Panzerreiter, 1500 leichte Reiter und 8000 Mann Fußkneche. Sie verzichten – strategisch richtig – auf eine Belagerung Veronas und wenden sich weiter nach Cremona. Alles Land dazwischen ergibt sich, sozusagen, im Vorüberziehen. Doch dann erliegen sie den damaligen Bräuchen: Aus früheren Koalitionskriegen (also Feldzügen mit Kriegspartnern) wissen sie noch, daß man am Ende nur das behält, was man vorher erobert hat. Statt also weiter auf Mailand, das Herz des Herzogtums, vorzurücken, biegen sie nach Brescia ab und belagern es. Die Franzosen treiben es nicht besser und legen sich erst einmal vor Asti.

 

Bild links: Italienische Pikeniere

 

 Die Ratsversammlung („Tagsatzung“) von Zürich legt die Kontingente für die 4000 Reisläufer fest, die man Sforza zugesagt hat. Demnach haben zu stellen: Zürich 500, Bern 500, Luzern 300, Uri 250, Schwyz 300, Unterwalden 220, Zug 200, Glarus 230, Basel 200, Freiburg 200, Solothurn 200, Schaffhausen 150, das Kloster St. Gallen 100, die Stadt St. Gallen 50, Appenzell 100, Thurgau 150, Stadt und Grafschaft Baden 50, Bremgarten 20, Mellingen 10, Sargans 50, die Ämter im Aargau 50, Rheintal 50, Rapperswil 20 und die Grafschaft Toggenburg 100. Die Soldaten sollen in Uri zusammenkommen und dann bis Bellenz (Bellinzona, heute Tessin, damals Mailand) weiter, um sich dort der Musterung durch den Abgesandten Mailands zu stellen und Sold zu erhalten. Gleichzeitig ergeht ein striktes Verbot, sich in den Dienst der Franzosen zu begeben. Einige Schweizer sind bereits nach Asti unterwegs, Ludwig bezahlt nicht schlecht. Als die Ausreißer nicht zurückkehren wollen, werden ihre Güter eingezogen. Am Ende sind 2000 Eidgenossen zu den Franzosen gezogen, dürfen aber nicht gegen andere Schweizer kämpfen. Die Schweizer marschieren in zwei Kolonnen, und die östliche strebt Novara zu, der zweitgrößten Stadt des Herzogtums, in die sich Sforza auf der Flucht vor den Franzosen in einstweilige Sicherheit gebracht hat. Am 22. Mai erreicht der Herzog die Verbündeten, die ihn mit großem Gepränge empfangen. Er bringt 200 Panzerreiter und 1500 Mann spanischer Infanterie mit.

 

Die französische Hauptmacht dringt ins Gebiet von Asti vor. Bis jedoch alle Verbündeten dort eingetroffen sind, vergehen vier wertvolle Tage. Der Herzog wird aufgefordert, sich wieder über den Po zurückzuziehen, während die Schweizer selbst nach Novara marschieren. Verona ergibt sich den Venetianern, die Spanier rücken in den Süden ab. Lodi geht verloren, und in Mailand bricht ein Aufstand aus. Brescia ergibt sich, doch die Venetianer stoßen auch jetzt noch nicht nach Mailand durch, sondern wenden sich nach Cremona. Zum Glück für die Verbündeten spricht sich jetzt aber der neue Papst für Sforza aus und übermittelt ihm 40 000 Dukaten, um damit insgesamt 16 000 Schweizer zu besolden (für diese großzügige Gabe erhält der Papst übrigens vom Herzog die Städte Parma und Piacenza). Aber das Geld geht an die Eidgenossen, und sie schicken dem ersten Zug 8000 Mann hinterher; bei ihnen ist die Erkenntnis gereift, daß man mit 4000 Mann nicht viel gegen ein so starkes französisches Heer ausrichten kann; und die sonstigen Verbündeten des Mailänders halten sich mit Truppen sehr zurück.

 

Bild links: Artillerie

 

Am 31. Mai überqueren die Franzosen den Po in nördlicher Richtung und marschieren Richtung Novara weiter. Noch während dieser Zeit gehen ihnen weitere Verstärkungen zu, so daß sich schließlich 1500 Panzerreiter, 500 leichte Reiter, 10-12 000 Fußsoldaten, drei große Kanonen und 26 oder 28 Falconets einfinden. Die Genietruppe führt allerlei Holzkonstruktionen mit, hinter denen 400 Panzerreiter und 5000 Fußsoldaten in Deckung stehen können. Die Franzosen verzichten darauf, sich mit den Venetianern zusammenzutun. Sie halten sich auch allein für ausreichend stark genug. Am 4. Juni sind die Belagerungsgeschütze vor Novara in Stellung gebracht. Schon nach vier Stunden Beschuß ist eine Bresche in die Mauer geschossen. Die herzogliche Artillerie, wenn auch nicht sehr zahlreich, reicht aber aus, den ersten Ansturm von deutscher und französischer Infanterie zum Stehen zu bringen. Die Berner verlieren unter dem Ansturm ein Stadttor, können es jedoch im Gegenangriff zurückerobern. Die Schweizer lassen tags drauf sogar die Tore offen, damit der Feind erkennen kann, wie stark sie sich dahinter aufgestellt haben. Dabei ist das zweite Aufgebot der Eidgenossen noch gar nicht eingetroffen. Der Herzog läßt aber bereits Vorräte und anderes in das Kastell der Stadt schaffen; wenn die Franzosen jetzt mit aller Macht angreifen würden, wäre außer der Burg nichts mehr von der Stadt zu retten gewesen.

 

Anfang Juni treffen die Schweizerischen Verstärkungen ein und werden sofort gesammelt, um vereint nach Novara marschieren zu können. Am 5. Juni ist aber der letzte Teil der zweiten Gruppe noch immer nicht eingetroffen, und man beschließt angesichts der bedrohlichen Lage der Stadt, sofort aufzubrechen. Man erreicht Novara von Westen und gelangt ungehindert von den Franzosen in die Stadt. Nur der Beschuß Novaras wird wieder aufgenommen. Doch am nächsten Tag ziehen die Franzosen ab und errichten ein Stück weiter zwei Lager. Niemand kennt den Grund dafür, aber heutige Gelehrte vermuten, daß die Franzosen den Schweizer Verstärkungen dort den Weg verlegen wollen. Die Lager liegen unweit des Gehöfts Ariotta (nach welchem die italienischen Historiker die Schlacht benennen).

 

Bild links: Das Beste, was sich an schwerer Reiterei für diese Schlacht bekommen läßt

 

Schlacht

 

Der französische Befehlshaber La Tremoille glaubt, daß die Schweizer, die gerade erst eingetroffen sind, sich nach dem langen Marsch erst einmal ausruhen wollen, bevor sie ein so starkes Lager angreifen. Deshalb sind die Franzosen auch noch längst nicht zur Schlacht aufgestellt, als die ersten Reisläufer rennend vor den Stadttoren erscheinen. Zwar sind die Schweizer auch noch nicht in Schlachtordnung, holen das aber im Sturmlauf nach, was für den sehr hohen Stand ihrer Ausbildung spricht. Nur die französische Feldartillerie macht ihnen etwas zu schaffen. Nicht zu vergessen, daß sie nur mit 8000 Mann gegen einen anderthalb mal so starken Feind zu tun haben. Und an Artillerie haben die Eidgenossen nur die paar Stücke, die Sforza ihnen zur Verfügung gestellt hat.

 

Die ausgezeichnete französische Artillerie eröffnet das Feuer erst, als die Schweizer nahe genug heran sind, um lohnende Ziele zu bieten. Noch unter Feuer teilen sich die Schweizer in drei Haufen. Der erste in Stärke von etwa 3000 Mann soll das Geschützfeuer unterlaufen und die Landsknechte überwinden, welche die Kanonen schützen. Im Schutz von Gestrüpp und Gräben und eingehüllt vom Pulverdampf rücken sie vor. Die zweite Gruppe (wie die dritte) mit etwa 4000 Mann soll um die linke Flanke herum und der französischen Hauptstellung in die Seite fallen. Doch das Artilleriefeuer ist beinahe zu stark. Es reißt große Lücken in die Haufen. Erste Soldaten beginnen sich aus der Truppe zu lösen und nach Novara zurückzufliehen (wie übrigens auch der Herzog selbst). Es kommt zwischen den Reisläufern und den Landsknechten zum Handgemenge. Nun greift auch die schwere Reiterei ein und kann die Schweizer teilweise umfassen und von hinten niedermachen.

 

Nun tauchen die zweite und die dritte Schweizergruppe auf und fallen dem Feind in die Flanke. Von drei Seiten angegriffen und vom unebenen Boden behindert kommen die Franzosen nicht so recht dazu, ihre Reiterei zu entfalten. Um elf Uhr morgens, vier Stunden nach Beginn der Schlacht, wendet sich das Blatt in Richtung Schweizer, und die hinteren Reihen der Franzosen befinden sich bald in offener Flucht … Von der Wikipedia-Seite erreicht uns zusätzlich die Meldung, daß die Schweizer etliche Kanonen erbeuteten, diese umdrehten, gegen die Landsknechte richteten und diese zusammengeschossen haben, wonach der Widerstand der anderen Truppen mehr oder weniger sinnlos geworden ist. Wir nehmen diesen Hinweis gerne auf, bringt er doch zusätzlich Licht in das Getümmel.

 

Zukunftsmusik

 

Zwei Jahre später ist alles wieder vorbei. Die Schweizer erleben eine der schwersten Niederlagen ihrer Geschichte (Marignano 1515), und die Franzosen bringen Mailand wieder an sich. Wie lesen uns schon einmal ein …

 

In der nächsten Folge stellen wir die Schlacht von Novara nach.