Kleiner Nordischer Krieg 1655 - 1660

Freitag, 12. Juni 2015

Taktik zwischen Ost und West. Im Kleinen Nordischen Krieg sind die Schweden in Polen-Litauen eingefallen, haben viele Siege eingefahren, aber auch die eine oder andere Niederlage erlitten, wie zum Beispiel in der:

Schlacht von Prostki, 6. Oktober 1656

Ausschnitt aus dem Spielfilm „The Deluge“ aus dem Jahr 1974 von Regisseur Jerzy Hoffman.

Das Video ist in polnischer Sprache abgefaßt, daher unser untenstehender Kommentar.

Wer sich schon jetzt einen Eindruck von der historischen Schlacht verschaffen möchte, bevor wir es tun, hier der Wikipedia-Link: https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Prostki (leider nicht in deutscher Sprache vorhanden).

 

Das Video beginnt mit dem Anritt der Tataren (Verbündete der Polen-Litauer), leichte Reiterei.

00:40 Anritt der schweren polnischen Reiterei (Husaren)

00:57 Aufmarsch der Schweden

01:08 schwedische Kanonen werden vorgerollt und in Richtung Fluß ausgerichtet. Es handelt sich um leichte Geschütze, die von wenigen Männern bewegt werden können (hier je drei, es reichen aber auch zwei) …

01:25 die mittleren Kanonen …

01:32 die schweren Geschütze. Jenseits des Flusses rücken bereits die Tataren heran, die oft vorneweg reiten, um den Aufmarsch der eigentlichen Armee zu verbergen.

01:40 die Tataren überqueren den Fluß an einer Furt.

02:02 die Schweden eröffnen das Geschützfeuer auf die Furt.

02:12 die Schweden schicken den Tataren ihre Kürassiere („Reitars“) entgegen, die

02:32 aus nächster Entfernung ihre Pistolen auf den Feind abfeuern, um dann mit dem schweren Säbel zwischen die Tataren zu fahren (ein beliebter Fehler, denn Kürassiere schießen zur Seite – deshalb die Karakole-Taktik -, weil Pferde leicht in Panik geraten, wenn man über ihren Kopf hinweg schießt)

02:48 die Kürassiere schalten erst nach dem Feuern in Galopp um, sie reiten im Trab an. Die Tataren hingegen gehen schon sehr früh, der Wendigkeit und Schnelligkeit wegen, in den Galopp.

03:10 die Schweden schicken ihre Kavallerie-Reserve in die Schlacht.

03:40 inzwischen ist auf dem anderen Flußufer auch das polnische Heer aufmarschiert, die Schweden schießen Sperrfeuer und lassen die leichten Geschütze vorrücken.

03:52 die Polen schicken ihre leichte Reiterei (eigene leichte Truppen, die aber wie Kosaken aufgemacht waren) an den linken Flügel, um die Schweden zu umreiten und ihr Lager mit den Bagagewagen zu erobern

04:22 die Tataren lassen sich auf ein (kurzes) Säbelgefecht mit den schwedischen Kürassieren ein, um sie zu binden.

05:18 als die schwedischen Kavallerie-Reserven heranrücken, ergreifen die Tataren – scheinbar – die Flucht.

05:50 beachte die tatarischen Bogenschützen, die nach hinten schießen (und treffen); die schwedischen Reiterreihen sind in der hitzigen Verfolgung in Unordnung geraten und gehen den Tataren in die Falle.

06:25 selbige führen sie nämlich immer weiter von ihren Kameraden fort und über den Fluß, um sie dann im Film leider nicht mehr dargestellt) von allen Seiten zu umzingeln und niederzumachen. Die Kürassiere, die ihre Ordnung endgültig im Wasser verloren haben, sind umso leichter zu besiegen, die Tataren fallen gern zu mehreren über einzelne her. Das Manöver hat den weiteren Vorteil, daß die Schweden gezwungen sind, ihren Artillerie-Beschuß einzustellen (jetzt wieder im Film dargestellt), um nicht ihre eigenen Truppen (die Kürassiere) zu treffen.

06:42 darauf hat der polnische Oberbefehlshaber nur gewartet, er gibt seiner schweren Schlachtreiterei, den Husaren, das Zeichen zum Angriff, die nun gegen die schwedische Infanterie und Artillerie anstürmen. Normalerweise reitet nur die erste Husarenreihe mit gefällter Lanze, die weiteren haben den Säbel gezogen – was hier im Film aber nicht so eindeutig klar wird.

07:12 Geschütze und Musketiere der Schweden eröffnen das Feuer; mögen wir die Gabeln noch durchgehen lassen, die andernorts bereits im Verschwinden begriffen sind, so rügen wir den „Kontermarsch“ oder „Gegenmarsch“ schwer. Spätestens seit der 2. Hälfte des 30-jährigen Krieges findet der keine Verwendung mehr (nach dem Feuern marschiert der Schütze seitlich von seinem Hintermann in die letzte Reihe – dadurch stehen die Musketiere viel zu weit auseinander, um viel treffen zu können).

07:40 die Pikeniere, die hinter den Musketieren gestanden haben, stellen sich vor sie, aber auch hier wieder viel zu weit auseinander. Piken müssen eng nebeneinander stehen, um einen dichten Wald von Spitzen zu erzeugen, den kein Reiter durchdringen kann. Wenigstens stehen sie mehrere Reihen tief; unter ihrem Schutz feuern die Musketen weiter.

08:00 Die Schweden lassen wieder die Geschütze sprechen, aber nur die leichten, denn sie sind beweglich und können nach vorn gebracht werden. Die größeren Stücke bleiben dort zurück, wohin man sie zu Schlachtbeginn aufgebaut hat.

08:15 die polnischen Husaren reiten derweil alles nieder, ihre Lanzen sind noch länger als die Spieße der Pikeniere. Beachte die Artilleristen, die sich unter ihren Kanonen in Sicherheit bringen, denn dort können die Reiterlanzen sie kaum erreichen (ebensowenig wie die schweren Säbel)

08:42 die Schweden wenden sich zur Flucht.

08:55 die polnischen „Kosaken“ erreichen das schwedische Lager und machen dort alles nieder.

 


Montag, 01. Juni 2015
- POLEN-LITHAUEN

 

EINORDNUNG

Das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen haben sich im Jahre 1569 zu einem Staat zusammengeschlossen, zur „Königliche Republik der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen“. Der Länge wegen belassen wir es – wie die meisten Autoren – bei Polen-Litauen. Beide zusammen ergaben einen Riesenstaat, der das gesamte heutigen Polen, ebenso Litauen, Lettland, Weißrußland sowie Teile des heutigen Rußland, Estland, Moldawien, Rumänien und der Ukraine umfaßte. Polen-Litauen lag zu seinem Leidwesen in der Mitte zwischen Mächten, die nach Ausdehnung strebten. Im Nordwesten Schweden, das den ganzen Ostseeraum für sich wollte, im Osten das Zarentum Rußland, das nach der Ostsee strebte, und im Süden das Osmanische Reich, das den ganzen Südosten Europas unter seine Herrschaft bringen wollte. Dazu kamen im Süden die Krim-Tataren, die von Sklavenjagd und Beutefang lebten, im Süosten die rumänischen Fürstentümer, die sich zwischen den Osmanen und den Polen-Litauern behaupten wollten, im Westen die Kosaken der Ukraine, die nach Unabhängigkeit strebten, und die Brandenburger-Preußen, die ihren eigenen Staat wollten. Nur der Westen mit dem habsburgischen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation haben die Polen-Litauer weitgehend unbehelligt gelassen. Dem fortwährenden Druck konnte das Doppelreich nicht standhalten und verschwand mit der letzten Teilung Polens 1795 endgültig von der Landkarte.

        Polen-Litauen hatte aber noch weitere Geburtsfehler mitbekommen, die es ihm unmöglich machten, sich auf Dauer der Feinde Schar zu erwehren. Davon seien hier zwei wesentliche genannt: Trotz seiner Größe hatte Polen-Litauen nie mehr als 12-15 Millionen Einwohner, das heißt, es war über weite Gebiete menschenleer und konnte kein seiner Größe entsprechendes Heer unterhalten. Zum anderen haben es beide Landesteile nie vermocht, ein gemeinsames Heer aufzustellen. Polen wie Litauer sind stets getrennt marschiert und haben ihre Kräfte zu wenig gebündelt. Gleichwohl waren sie ähnlich organisert und uniformiert.

        Wir orientieren uns im weiteren an folgenden sehr brauchbaren (gleichwohl englischsprachigen und gelegentlich etwas zu parteiischen Seiten):

http://www.jasinski.co.uk/wojna/index.htm

http://www.kismeta.com/diGrasse/PolishHorseArtillery.htm (deckt aber auch eine Vielzahl anderer Aspekte ab)

http://www.fireandsword.wargamer.pl/ (polnische Seite, auch in Englisch, mit eigenem Spielsystem und Zinnfiguren, allerdings im Maßstab 15 mm; aber man findet hier interessante Hinweise)

       

WELCHE TAKTIK

So zahlreich die Feinde der Polen-Litauer waren, so unterschiedlicher Taktiken bedienten sie sich: Die Tataren als Nachkommen der Mongolen kämpften mit großen, beweglichen Reiterheeren, die Schweden hingegen mit Artillerie, Gewehren und Schlacht-Kavallerie – und alle anderen mit Mischformen derselben.

        Davon abgesehen waren die polnisch-litauischen Heere teilweise auch noch mittelalterlich organisiert: Neben der polnischen Kron-Armee als Staatsheer existieren zahlreiche Fürsten-Aufgebote, das heißt der Fürst rief seine Untertanen im Konfliktfall zum Kriegsdienst. So erklärt sich, daß die polnische Kron-Armee Verstärkungen von diesem oder jenem Fürsten erhielt, der sein Aufgebot für die Dauer der Schlacht dem polnischen Feldherrn unterstellte. Bei den Litauern gab es nur die Fürsten-Aufgebote, doch unter diesen ragte die Familie Radziwill turmhoch hervor, die die litauischen Feldzüge (im Verbund Polen-Litauens), quasi allein geführt hat. – Klingt kompliziert, nicht wahr, aber wir werden das für jede Schlacht einzeln aufzudröseln versuchen.

        Auf eine Kurzformel gebracht: Gegen die Reiterheere der Osmanen und Tataren half die bessere Feuerkraft der polnisch-litauischen Fuß-Schützen und Artillerie, gegen die weniger kavallerie-betonten wie auch die russischen und kosakischen Armeen gab es die polnische „Geheimwaffe“ der geflügelten Husaren; diese waren übrigens eine polnische Eigenheit, die Litauer verfügten nie über dergleichen.

 

ERST SCHIESSEN, DANN REITEN

Im Prinzip ließen die Polen Infanterie und Artillerie den Vortritt, um den Gegner für den Angriff der eigenen Husaren und Schlachtreiter („Pancerni“, die gab es auch bei den Litauern) sturmreif zu schießen. Sobald genügend Lücken und Unruhe in die feindlichen Reihen gebracht worden waren, preschte die eigene Reiterei vor, um der anderen Seite den Rest zu geben.

        Gern bildete man auch aus mitgeführten Wagen Schanzen (eine Karren-Wand), hinter der sich zum Beispiel die eigene Reiterei nach einem Gefecht wieder sammeln und neu formieren konnte. Anfangs standen die Wagen auch schon vor der Schlacht vor der Kavallerie, was aber rasch als hinderlich für die Reiter empfunden wurde; seitdem stellte sie sich vor dem Wall auf.

        Gegen kavalleriedominierte Feinde rückte die polnische Infanterie als erstes vor und tat so, als würde sie ihnen in die Falle tappen (siehe Taktik der Tataren). Die Schwerpunkte der Polen-Litauer lagen aber auf ihren Kavallerie-Flügeln, die dann, wenn der Feind sich vom Fußvolk ablenken ließ, wie eine Zange zuklappten. – War der Feind zu zahlreich (zum Beispiel die Osmanen), so errichteten die Polen-Litauer befestigte Lager (in der Steppe gab es so wenige Städite, daß die sich kaum als Bliockadebrecher gegen die Türken eigneten) und versperrten dem Feind damit den Weg. Oft waren diese in die Tiefe gestaffelt, das heißt, mehrere Befestigungen hintereinander – die Zwischenräume zum Zwecke des Gegenangriffs an den Rändern mit Reiterei belegt -, um dem Gegner das Vorankommen so schwierig wie möglich zu machen. Allerdings machte man nicht immer Gebrauch von dieser Taktik, denn die Armee konnte sich in solchen Stellungen zu wenig bewegen und die Kavallerie nur eingeschränkt eingesetzt werden.


Die Polen kämpften gern mit Reserven, die sie länger als der Gegner zurückhielten, um dann im entscheidenden Moment losgelassen zu werden. Und gegen Feinde wie die Schweden mit ihrer überlegenen Feuerkraft und größeren Disziplin griffen die Polen-Litauer zur Partisanentaktik, überfielen den Feind auf dem Marsch oder in anderen für ihn ungünstigen Momenten.

        Ab etwa 1600 erhielt Polen-Litauen vom deutschen Kaiser Truppen gestellt und verfügte so über „modernere“ Infanterie; seit Mitte der 30er Jahre des 17. Jahrhunderts legten sich die Polen eigene Infanterie nach mitteleuropäischem Muster zu (Musketiere und Pikeniere wie im 30-jährigen Krieg); diese, von deutschen Offizieren ausgebildet und angeführt, traten viel offensiver auf als die bisherigen polnischen Schützen, und mit ihnen ließen sich sowohl Schweden wie auch Osmanen frontal angehen, auch wenn die letztendliche Schlachtentscheidung weiterhin den Husaren und anderen Schlachtreitern überlassen blieb.

 

ARMEESTÄRKEN

Zum Schluß einige Armeestärken aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (zu finden auf der Seite: http://www.jasinski.co.uk/wojna/index.htm

1627 gegen die Schweden: 2150 Husaren (schwere Lanzenreiter), 3290 Kosaken (meist leichte Reiterei), 2515 Mann Deutsche Infanterie (tatsächlich deutsche Truppen, Musketiere wie Pikeniere, vom Kaiser entsandt), 1620 Mann polnische Infanterie (fast ausnahmslos Schützen), 1265 Dragoner und ca. 2000 Saporoger Kosaken (Fußsoldaten mit Gewehren, Lanzen und Schwertern, die Pistole war auch sehr beliebt).

1633 gegen Rußland: 3120 Husaren (schwere Lanzenreiter), 4260 Kosaken (überwiegend leichte Reiterei), 1700 Deutsche Reiter (Kürassiere mit Pistolen), 10 500 „Deutsche Infanterie“ (polnische Musketiere und Pikeniere nach deutschem Muster), 1040 Dragoner, 2200 Mann polnische Infanterie (fast ausnahmslos Schützen)  und einige 1000 Saporoger Kosaken (Fußsoldaten mit Gewehren, Lanzen und Schwertern, die Pistole war auch sehr beliebt).

1634 gegen Osmanen: 12 180 Mann Reiterei (darunter 4180 Husaren, schwere Lanzenreiter), 7500 Mann polnische Infanterie (große Teile davon aus den einzelnen Fürstenaufgeboten), 5500 „Deutsche Infanterie“ (polnische Musketiere und Pikeniere nach deutschem Muster), 3460 Dragoner and 16 000 Saporoger Kosaken (Fußsoldaten mit Gewehren, Lanzen und Schwertern, die Pistole war auch sehr beliebt).

 

Und noch ein informativer Link zur Seite „Oderint Dum Solent“ http://rusmilhist.blogspot.co.uk/ in russischer und (leider nicht durchgehend) englischer Sprache. Eine Auflistung der polnischen Armee bei Ausbruch des Schwedisch-Polnischen Krieges 1655 findet sich unter http://rusmilhist.blogspot.co.uk/2013/07/polish-army-at-start-of-polish-swedish.html#more

(allerdings in polnischer Sprache, und die Übersetzungsprogramme helfen kaum)